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Die Schwiegermutter, der Froschkönig

Eine Nachlese zur Vortragsveranstaltung des VDI München (Verein Deutscher Ingenieure e. V.) „Trotzreaktionen in Veränderungsprozessen“, Mai 2012.

Der Vortragende, ein Veränderungsberater von next level consulting, sprach im Vortrag von trotzigen Kindern, von der Schwiegermutter, von seiner Vaterrolle und zog Vergleiche zu Mitarbeitern in Veränderungsprozessen. Er zitierte Jasper Juul (ein dänischer Familientherapeut und Autor), er erzählte einleitend ein Märchen – der Froschkönig. Die Ingenieure hörten interessiert zu. Sie nahmen den Berater ernst – so mein Gefühl.

Der Vortrag führte mich zu folgender Frage: Ist es heute für einige Bereiche in der Wirtschaft einfach schicklich oder ist es nützlich und notwendig, Erfahrungen aus anderen Systemen, wie bspw. der Familie, in der Wirtschaft vorzustellen und zu nutzen?

Lange Zeit galt in der Wirtschaft die Botschaft: Mann = Experte/Manager ≠ Sohn ≠ Vater – zumindest nach außen hin nicht. Oder Frauen, die ihre Erziehungserfahrung in den Managementkontext einbrachten, wurden schnell als geschwätzig und unprofessionell bezeichnet. „Hausfrauenpsychologie“ ist nicht was Manager hören wollten. Und Therapie hat generell nichts mit den Managern in der Wirtschaft zu tun.

 

Frauen und Männer haben in Sitzungen und Vorträgen ihre Erfahrungen aus dem eigenen Familiensystem, aus Therapien ausgeklammert, um in den überwiegend männlichen Management-Etagen angenommen zu werden. Ob es eine generelle Entwicklung in der Wirtschaft ist, wissenschaftlich keineswegs fundiertes Wissen und Erfahrungen aus

– unterschiedlichen Rollen (aus verschiedenen Systemen),

– dem therapeutischen Kontext und/oder

– der Märchenwelt

 

anzusprechen, kann hier nicht beantwortet werden. Dass es jedoch einiges daraus zu lernen gibt, hat der Veränderungsberater den Ingenieuren demonstriert.

In meinen Coachings und Führungstagen ist es üblich und zieldienlich, Rollen verschiedener Systeme zu reflektieren und die Werte/Haltungen darin zu beleuchten. Aber darüber hinaus?

Haben Sie in Ihrem Arbeitsfeld ähnliche Erfahrungen gemacht? Manager und Berater zeigen sich und ihre verschiedenen Rollen – als Vater/Sohn, Mutter/Tochter…, erzählen ihr Lieblingsmärchen und von ihrer Therapie. Wenn Sie ähnliche Erfahrungen haben, stellen sich die Fragen: Wozu zeigen Berater, Trainer, Manager ihre Erfahrungen als Eltern, als Sohn/Tochter, als Schwiegersohn/Schwiegertochter, usw.? Welchem Zweck dienen diese Darstellungen aus unterschiedlichen Rollen?

 

Als Projektmanagement-Expertin und Coach bin ich der Ansicht, dass zunehmende Komplexität Transparenz, Vertrauen und Einfachheit fordert. Es gibt Systeme, in denen das tagtäglich erlebt und erfahren wird. Das lässt sich nutzen.

 

Persönliche Transparenz und Vertrauen

Führungskollegen, Berater und Coaches dürfen und sollen sich in deren unterschiedlichen Rollen kennenlernen. Der Mann, die Frau ist nicht nur Manager bzw. Managerin! Das Teilen von und Sprechen über Erfahrungen aus anderen Systemen, wie der Familie, kann

  • in schwierigen Problemen lösungsunterstützend wirken,

  • in Konflikten das wechselseitige Verständnis stärken,

  • die eigene kulturelle Vielfalt, die Haltungen und Werte, verständlich machen.

 

Damit macht man sich für andere greifbar und natürlich auch angreifbar. Das ist sozusagen der Preis von Transparenz und Vertrauen, den man gerne zahlt, wenn man die erzielten Erfolge in der Zusammenarbeit gegenüberstellt.

 

Einfachheit und Entscheidungen

Mit Einfachheit stehen insbesondere das Tempo und die Qualität der Entscheidungen im Fokus. Wenn ein Vater/eine Mutter lange Analysen durchführt, um entscheiden zu können, wie das Zusammenleben funktionieren kann oder wie er/sie den Sohn dazu bringen kann, dass er sich am Haushalt beteiligt, sind die Kinder längst wieder in einer anderen Phase ihres Heranwachsens – es braucht wieder neue Überlegungen. Es ist erforderlich, intuitiv und schnell zu agieren und das selbst mit wenig Erfahrung. In den Unternehmen agieren heute viele Experten/Manager entgegen ihrer Intuition, entgegen ihrem Gefühl. Dabei haben sie – anders als viele Eltern – die notwendige Erfahrung und Kompetenz, sehr schnell hochwertige Entscheidungen zu treffen. Aber eigentlich wissen Sie es, wie es ist, wenn man sich auf sich selbst verlässt.

 

Es ist aus meiner Sicht sinnvoll, mehr denn je die Potentiale und Erfahrungen aus den unterschiedlichen Systemen von Managern und Beratern/Coaches in der Wirtschaft zu nutzen. Die Beziehungen dürfen aus meiner Sicht weicher und persönlicher werden. Eine gute Fehlerkultur, Respekt und Wertschätzung ist die Basis, die im Einzelnen und in Unternehmen damit einhergehen muss.

 

Copyright © Dr. Berta Coromayh Schreckeneder, VIEWCONSULT, www.viewconsult.de

 


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