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„Perspektive Bildungsberatung“

„Perspektive Bildungsberatung"

lautete der Titel der 5. wbv Fachtagung in Bielefeld. Vom 29. bis 30. Oktober diskutierten über 240 Teilnehmer unterschiedliche Ansätze und Modelle rund um das Thema „Bildungsberatung". Und dabei zeigte der Veranstalter, der Wilhelm Bertelsmann Verlag, ein sehr gutes Gespür für Aktuelles – denn die Tagung war innerhalb kürzester Zeit komplett ausgebucht. Da die historischen Räume der Ravensberger Spinnerei nicht mehr Personen aufnehmen konnten, blieb die Warteliste lang.

Das Thema des Forums vier, „Geschäftsmodelle für Beratung", bot den zahlreichen Zuhörern Gelegenheit zu intensivem Meinungsaustausch. Vier Referenten stellten dazu ihre unterschiedlichen Konzepte für Geschäftsmodelle vor. Von der „Berufs- und Laufbahnberatung nach Schweizer Art" über „Persönlichkeitsbildung & Beruf – eine nach AZWV zertifizierte berufliche Weiterbildung" bis hin zu verschiedenen Aspekten der „Bildungsberatung in den Lernenden Regionen" erhielten die Zuhörer genügend Diskussionsstoff.

Die unterschiedlichen Ansätze verdeutlichten auch die mannigfachen Einstellungen zum Thema. Dorothee Beck, deutsche Vertreterin des „S&B Concepts" aus der Schweiz, machte deutlich, dass in unserem Nachbarland Bildung einen sehr hohen Stellenwert hat. Hier sorgt ein jeder für seine persönliche (Weiter)Bildung – die Fleischfachverkäuferin legt dafür ebenso Geld zurück wie der Manager. Der Grundgedanke, für seine eigene (Weiter)Bildung so vorzusorgen wie für den Urlaub oder das Alter ist in den Köpfen der Schweizer Bürger schon lange fest verankert. Eine Tatsache, die in deutschen Landen noch nicht überall angekommen zu sein scheint. Dieses zeigen zum Einen Umfragen unter Studierenden, die ein nebenberufliches Weiterbildungsstudium aufgenommen haben, aber in vielen Fällen dieses nicht Ihrem – beruflichen wie privaten – Umkreis mitteilen – getreu dem Motto „Darüber spricht man besser nicht!" Zum Anderen veranschaulichte auch die kontroverse Diskussion der Frage aus dem Publikum, ob nicht jede Art von (Weiter)Bildung und damit auch die Bildungsberatung für alle Bürger kostenfrei sein sollte, eine Haltung in unserer Republik.

Lebenslanges Lernen erfordert von allen in diesem Prozess involvierten Beteiligten neue Denkweisen und Einstellungen zum Thema „(Weiter)Bildung". Neben neuen Angeboten gehören dazu insbesondere neue Strukturen. Denn damit Lernwillige bei der schier unübersichtlichen Angebotsvielfalt die richtige Entscheidung fällen, brauchen sie eine professionelle Bildungsberatung. Und diese ist in allen Fällen mit Kosten verbunden. 1Dr. Ulrike Heuer, Humboldt Universität Berlin, stellte dazu als ein Ergebnis ihrer Forschungsarbeit dar, dass unabhängige und trägerüber­greifende Beratung eine wichtige Neuerung ist, für die jeweils ein eigenständiges Organisations­modell, ein Geschäftsmodell und ein regionales Netzwerk benötigt werden. Neben der träger­spezifischen Bildungsberatung bei Weiterbildungs­trägern gibt es damit eine neue Art der Bildungs­beratung, die aus einem Mix von privatwirtschaftlichen Einnahmen und öffentlicher Förderung finanziert werden soll. Sie postuliert: „Bildungsberatung wird zur allgemeinen Daseinsvorsorge". In diversen Lernenden Regionen wurde diese Bildungsberatung als Modell entwickelt, die zwar trägerüber­greifend, aber zugleich regionenspezifisch in ein Netzwerk aus Akteuren der regionalen Bildung einge­bunden ist (Bildungsträger, Wirtschaft, Verbände, Verwaltung und Politik). Dabei garantiert das jeweilige Netzwerk die thematische Entwicklung, sichert die Infrastruktur und unterstützt die Existenz der regionalen Beratungsstelle. Alle sollen partizipieren, die Region kann dadurch maßgeschneiderte Entwicklungsimpulse für die Weiterbildung von Arbeitskräften in Kooperation mit der regionalen Wirtschaft und der Bildungspolitik geben, die Bildungsträger erweitern ihren Teilnehmerkreis und den Individuen bieten sich neue Chancen. Im Rahmen ihres Vortrags stellte sie den Referenzrahmen für Netzwerke aus dem Verbundprojekt „Bildungsberatung in den Lernenden Regionen – Teilprojekt Organisations- und Geschäftsmodelle" vor.
2Christine Müller vom DIE und Projektpartnerin in o. g. Untersuchung, präsentierte im Anschluss ein mögliches „Geschäftsmodell für Bildungsberatung" – als Ergebnis ihrer Untersuchungen im Teilprojekt „Organisations- und Geschäftsentwicklung" des Verbundprojektes „Bildungsberatung in den Lernenden Regionen" (Informationen unter www.bb-dialog.de). Dieses empfohlene Referenzmodell versucht, betriebswirtschaftlichen Nutzen und pädagogische Notwendigkeiten miteinander zu verbinden. Frau Müller machte deutlich, dass Geschäftsmodelle bislang kein übliches Instrument sind, um Aufgaben im Zusammenhang mit Bildung zu professionalisieren, zumal bisher an Bildungsberatung nicht die Gruppen partizipieren, denen finanzielle Mittel für dieses Angebot zur Verfügung stehen. Dem gegenüber steht die Notwendigkeit, einerseits vorhandene Einrichtungen nach Ablauf von Projektlaufzeiten und Förderphasen in die Nachhaltigkeit zu bringen, andererseits flächendeckend neue Angebote aufzubauen. Geschäftsmodelle können der Formulierung von Professionalität dienen, auch wenn die Finanzierung nicht über Kunden einzuholen ist. Hinzu kommt, dass Geschäftsmodelle entwickelt werden müssen, wenn Bildungsberatung als Mischfinanzierung sowohl privat als auch öffentlich finanziert werden soll.

Ein anderes „Geschäftsmodell der Beratung" stellt das Konzept „ProfilPASS" dar. Wolfram Hafner, Fachberater EQ.Systems & ProfilPASS, zeigte auf, dass der ProfilPASS universell einsetzbar ist und die Befähigung des/der Einzelnen für eine selbstverantwortliche Lebensplanung wertvoll unterstützt. In seiner täglichen Arbeit stellt er immer wieder fest, dass die Orientierung an biografischen Stationen und Ereignissen und die Wertschätzung von nonformal und informell Gelerntem bei seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf sehr positive Resonanz stoßen.

Einig waren sich Diskutanten und Publikum darin, dass Bildungsberatung sehr bedeutend und entscheidend für die weiteren Schritte im Leben eines Einzelnen sein kann. Aber häufig ist für eine intensive Beratung kaum Zeit und das, obwohl alle Anwesenden einhellig der Meinung sind, dass sich diese Art der Beratung nicht „nebenbei" erledigen lässt. Hier kam insbesondere der Aspekt zeitlich begrenzter Arbeitsverträge zur Sprache und damit die Frage, „ob man von Mitarbeitern, die nur befristete Verträge haben, verlangen kann, sich hier engagiert einzubringen?" Menschen, die sich über ihre Perspektiven klar werden wollen und hierzu externe Beratung in Anspruch nehmen, haben ein Anrecht darauf, dass sie professionell und umfassend informiert und beraten werden. Und das bedeutet, dass jeder Berater – und sei er nur ein paar Stunden in dieser Funktion tätig -, die Verantwortung für eine kompetente und fachkundige Beratung eben dieses Menschen hat. Und diese Verantwortung hat nichts mit der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses des Bildungsberaters zu tun. Seine Beratung hat Konsequenzen, er gibt dem Ratsuchenden Informationen, Impulse und Entscheidungshilfen an die Hand. Dieser entscheidet letztlich allein. Ohne Unterstützung seitens des Beraters könnte die Entscheidung aber völlig anders aussehen.

Die zum Schluss gestellte Frage „Lässt sich mit Bildungsberatung Geld verdienen?" ist provokant wie schwierig zugleich und wurde – je nach Standpunkt – von Referenten und Zuhörern unterschiedlich beantwortet.
Jedem muss der Weg zu einer umfassenden Bildungsberatung frei stehen – die einen können und wollen dafür selbst bezahlen, die anderen wollen, können es aber nicht. Letzteren muss geholfen werden. Wie bereits gesagt, erfordert „Lebenslanges Lernen" ein Umdenken aller Beteiligten und dazu gehört auch die Finanzierung. Auf den Staat als alleinigen Versorger in diesem Umfeld ist kein Verlass mehr. Mit den vorgestellten Ideen und Modellen sind die ersten Schritte in eine neue Richtung getan. In der Praxis wird sich zeigen, was sich umsetzen lässt und welche Justierungen vorgenommen werden müssen. Das bedeutet aber auch, dass sich alle Beteiligten von den Konzepten der Vergangenheit lösen müssen und bereit und offen für Veränderungen sein müssen. Denn eines ist gewiss: „Lebenslanges Lernen" gibt es ebenso wenig umsonst wie professionelle Bildungsberatung. Und die Zeit drängt.

Anmerkung: weitere Informationen zu den hier vorgestellten Projekten findet der Leser auf folgenden Webseiten:
http://www.wbv-fachtagung.de/
http://www.profilpass-online.de/,
www.s-b-institut.de
www.bb-dialog.de

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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des besseren Verständnisses wählt die Autorin die männliche Sprachform, angesprochen sind selbstverständlich beide Geschlechter.

Dr. Beate Braun, BRAUN-CONCEPT, Bedburg, www.braun-concept.de



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