Skip to main content

:Zwischen Psychiatrieseelsorge und diakonischem Management

Autor Thomas Feld
Verlag Isensee
ISBN 978 3 7308 1058 3

Der Evangelische Theologe und Theologische Vorstand des Diakonischen Werks der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg legt den ersten Band der neuen wissenschaftlichen Reihe zu Abhandlungen, Erörterungen, Darstellungen zu Themen der heutigen Diakonie vor. Die Aufsätze und Vorträge entstammen den letzten 20 Jahren der Berufsbiografie des Autors und sind komplett überarbeitet.

Der Titel spannt einen weiten Bogen und verweist bereits auf die drei Kernsujets: theologische Begründung diakonischen Handelns, Einspeisen von „Bezugswissenschaften“ in das diakonische Handeln, etwa Psychiatrie, Psychologie, Management, Ökonomie und, drittens, das Sujet betriebswirtschaftliches verantwortbares Management. Dass diese dreifache Bezogenheit mit inneren und äußeren Konflikten, mit Ambivalenzen, mit mehr als operativen, nämlich auch grundsätzlichen Fragen einhergeht, das zeigt der Autor nicht nur, sondern nimmt den Leser in seine Art der Gedankenführung an die Hand, und dies in einer Sprache, die es schwer fallen lässt, das Buch zur Seite zu legen.

Diakonie, der Dienst an Hilfsbedürftigen, und Diakon als in einer Kirchengemeinde karitative und soziale Arbeit Leistender (Brockhaus), wird von Thomas Feld sehr nahe gebracht und ohne dramaturgische Tricksereien lebendig geschildert. Die Ausführungen berühren emotional und intellektuell. Und dies unabhängig davon, ob der Leser aktives Mitglied in einer evangelischen Gemeinde ist, ob er sich zu den Kirchgängern zählt, und gar unabhängig davon, ob sich der Leser den Gottes-Gläubigen in christlicher Tradition zugesellt.

Das emotionale Berühren gelingt dem Autor schlicht dadurch, dass er schildert, was und wie er schildert. Er berichtet aus seiner Tätigkeit als Pfarrer und oder Klinikseelsorger in der Psychiatrie (Westfälische Klinik für Psychiatrie in Gütersloh), als Vorstand und Geschäftsführer des Vereins Komet e.V., der – zahlreiche Hürden überwindend – Menschen mit Behinderungen, Einschränkungen, psychischen und sozialen Problemen einen Arbeitsplatz als einen Ort bot und bietet, an dem sie sich „normal“ fühlen: als Arbeitnehmer und als Persönlichkeit und einen Ort, an dem sie Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Zuwendung, ein Zuhause finden.

Die Schilderungen berühren intellektuell dadurch, dass der Autor immer wieder Fragen stellt. Es sind insbesondere Fragerichtungen. Die eine reflektiert Aspekte, die seine jeweilige Tätigkeit in der Überschneidung mit oder in der Abhängigkeit von Bezugswissenschaften wie insbesondere Psychologie und Psychiatrie, von Erwartungen an seine Rolle: seine eigenen wie die seiner Klientel betrachten. Er reflektiert etwa Unterschiede und Gemeinsamkeiten von psychiatrischer, psychotherapeutischer und seelsorgerischer Arbeit, sowohl in den Methoden, den Befugnissen und Verantwortlichkeiten, den Botschaften und Quellen als auch in Bezug auf die Rolle und damit verwoben das Selbstkonzept in Rolle sowie die Erwartungen und Wünsche und das verbindende Band zwischen ihm als Seelsorger und den Rat, Trost, Hilfe Suchenden.

Die zweite Frage- und Denkrichtung geht über das jeweilig Geschilderte insofern hinaus, als sie das inhaltliche Thema zum Anlass für fundamentale oder Meta-Fragen nimmt. Besonders deutlich wird das in jenen Beiträgen, in denen es um die diakonische Dienstleistung an Wohnungslose, Süchtige, an Jugendliche, an Hilfebedürftige geht. Immer wieder wendet sich Thomas Feld gegen eine Psychologisierung und Psychiatrisierung, die soziale, ökonomische, gar gesundheitliche Probleme zu seelischen umdeutet und somit wenig hilfreich sein kann. Die Resilienzforschung gibt ihm darin recht. Resilienzberatung/ therapie ist daher – wie diakonisches Arbeiten – vernetzt mit öffentlichen Institutionen wie Behörden, mit Nachbarschaft (auch die Diakonie überlegt, wie sie Nachbarschaft einbinden kann in ihre sozialen und karitativen Zwecksetzungen) und natürlich mit psycho-sozialen Expertenkreisen.

Der letzte Beitrag mag als theoretisch(ster) gelten. Er widmet sich dem für diakonisches Arbeiten äußerst bedeutsamen Thema Inklusion. Die Ausführungen skizzieren die Geschichte um die Aktualität, die dieser Begriff im politischen und sozialen Handeln ausgelöst hat und kreist um die Frage nach Funktionalität, Leistbarkeit und Verortung von Inklusion als Menschenrecht oder (wogegen der Autor sich wendet) als Utopie gesellschaftlichen Lebens.

Ohne Aufdringlichkeit oder Missionarismus bezieht sich Thomas Feld immer wieder auf Gottes Wort, auf den Menschen als Geschöpf und seine „Geschöpflichkeit“, die Trost, Hoffnung, Zuversicht auslösen können, weil sie dem Menschen und dem menschlichen Geschick oder Schicksal Erklärung, Deutung, Sinnhaftigkeit, Verortung ermöglichen. Anders- oder Nicht-Gläubige sollten sich davon eher angezogen fühlen. Denn das, was Gott dem Gläubigen ist, wird heutzutage, in einer Zeit, in der Viel-Götterei scheinbar freie Wahl lässt, als „das Göttliche“ übersetzt, das verschiedenst gekleidet, aber immer dieselbe Botschaft ist und denselben Sinn in sich trägt – und daher leicht übersetzbar ist.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Regina Mahlmann