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Zwischen den Korridoren

Autor Adam LeBor
Verlag Polar
ISBN 978-3-948392-90-1

„Danube: Baltazár Kovács“ bietet ein Menge Budapester Lokalkolorit, gemischt mit viel Einblick ins gesellschaftlich-politische Leben nach der Wendezeit wie aktuell, wenn auch mit fiktivem Geschehen, auf mehr als 450 Seiten. Mit einer Menge Lokalkolorit (Budapest) und historischen Einblicken (S. 156f. usw.) – siehe auch dortige Juden-Verfolgungen (S. 217 etc.). . Ausländischer Einfluss kommt dazu, wenn auch anders als real von Orbán behauptet (S. 248ff. usw.). Nun, …

Ungarn als wacklige Demokratie
…findet hier die eine oder andere Erklärung, für mich (leider) absolut nachvollziehbar, siehe: Korruption, als Seilschaften aus Vorwende-Zeit & Co. Da kamen Erinnerungen auf, war ich doch Mitte der 1980er Jahre ab und an in Budapest, zusammen mit meiner damaligen Freundin, gebürtige Ungarin – mit „interessanten“ Erlebnissen u.a. an der Grenze Österreich-Ungarn… So schaut´s aus: „ZWISCHEN DEN KORRIDOREN ist der zweite Teil der Danube-Reihe um den Roma-Kommissar Baltazár Kovács und setzt wenige Tage nach der Handlung von „District VIII“ ein. Am frühen Donnerstagmorgen wird Baltazár zu einem Bordell gerufen, das seinem Bruder gehört, wo es einen Zwischenfall im VIP-Raum gegeben hat. Dort erwartet ihn die Leiche eines katarischen Finanziers. Womöglich ein Herzinfarkt. Die Indizien hingegen scheinen manipuliert zu sein. Die Videoaufzeichnungen des Bordells aus der Nacht wurden aus der Ferne gelöscht, und jemand überwacht Baltazár und das Etablissement mit Drohnen. Es stellt sich heraus, dass der Katarer zu einem Frühstückstreffen mit dem neuen Premierminister verabredet war, um eine Investition zu besprechen, die zur Umgestaltung Ungarns beitragen könnte.“ Korruption ist angesagt, wie sich nach und nach herausstellt… Und wie ist die Familie darin verwickelt (klärt sich langsam, etwa S. 390f.)? Und die Medien (S. 137f. etc.)?

Doch da gibt´s mehr Fälle
…und es wird ziemlich heftig, lebensgefährlich gar – und einer aus der Vergangenheit schwappt an die Oberfläche, aus seiner eigenen (Groß-)Familie… „Unterdessen steht Baltazárs ehemalige Geliebte unter Druck, die berühmteste Journalistin des Landes: Ihre Enthüllungen haben den ehemaligen Premierminister Pal zu Fall gebracht, und der sinnt auf Rache. Auf den Korridoren der politischen Macht begegnen wir dem organisierten Verbrechen.“ Und Menschen, die Balance suchen müssen statt sich zwischen die Stühle zu setzen, resp. Korridore… Gerade Roma, die es in Ungarn noch schwerer haben als andernorts – und Tazi ist einer von ihnen: Wie konnte der bloß Polizist werden, fragt sich auch seine Familie, obwohl ihm eine akademische Karriere möglich schien, als erstem (S. 97 usw.). Alltags-Rassismus poppt allenthalben auf, doch wie so oft, bietet der auch Chancen für Korruption der etwas anderen Art, wie er feststellen muss… Schließlich scheint es gar zu einem Putsch zu kommen, vonseiten des Vorgängers der jetzigen Ministerpräsidentin, wie sich ziemlich früh abzeichnet (bis hin zu S. 326ff. und Folge). – Fein, dass der Autor außer Lokalitäten (quasi Sightseeing inkl.  …) auch Sprachliches einfließen lässt: Da fühlte ich als Finnougrist (lang, lang ist´s her…) doch an mein Studium erinnert… Ein Lokalkrimi, der soviel mehr ist als das! So kann die Leserschaft nachdenklich auf die Ergebnisse der Europawahl warten – Parlament ist dann ja erst 2026 „fällig“! Doch wer weiß, vielleicht schafft Péter Magyar ja einen Zwischenschritt: Wenn er schon sein Land als Nachnamen trägt („magyar“ = ungarisch/Ungar)… Erleuchtend mag auch das Nachwort (von Günther Grosser) wirken: „Lesen die Leute bei den Einwanderungsbehörden oder im Innenministerium keine Thriller?“ (S. 459ff.) HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter