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Wo wir waren

Autor Norbert Zähringer
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-07669-6

„Wo waren wir am 21. Juli 1969?“ Wie andere aufrührende Ereignisse (9-11 z.B.) bleibt derlei im Gedächtnis haften, hier: Der erste „Mann im Mond“… Tatsächlich erinnere ich das gut: Ich verbrachte die Nacht bei einem Freund, um das zu erleben – wir hatten kein TV. Und damals interessierte mich gerade die Raumfahrt (Hausarbeit darüber in Deutsch hatte ich geschrieben), Astronomie, Science-fiction (allen voran: Perry Rhodan…). Doch in diesem Roman ist der Bogen viel weiter geschlagen: Rund ums Ereignis auch 50 Jahre danach – doch auch ein halbes Jahrhundert davor. Immer (wieder) mit Bezug zum „Mann im Mond“…

Ein kleiner Schritt…
… oder ein großer Sprung?! Für einige der Protagonisten stellt sich diese Frage durchaus auch, gerade für Hardy Rohn: „In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 betritt Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Abermillionen verfolgen auf der Erde die Fernsehübertragung. Das machen sich einige zunutze. Martha Rohn etwa, eine Mörderin, entkommt in jener fernsehstillen Nacht aus dem Frauenzuchthaus, und – Zufall oder nicht – ihr fünfjähriger Sohn Hardy flieht aus dem Kinderheim, in das er als vermeintliches Waisenkind „Nummer 13“ nach ihrer Verurteilung gesteckt wurde. Er weiß ja gar nichts über sie, weiß nicht einmal, dass sie noch lebt. Ein Ehepaar nimmt sich seiner an, bietet ihm ein Zuhause in einer Siedlung am Kahlen Hang, im Rheingau. Da träumt er davon, eines Tages Astronaut zu werden, und tatsächlich – Jahre später, in Amerika, ist die Verwirklichung des Kindheitstraums zum Greifen nah.“ Und zu guter Letzt schließen sich nach und nach einige Kreise, auch der zwischen Mutter und Sohn – jedenfalls für den Leser …

100 Jahre Schicksal
… sind hier auf auf mehr als 500 Seiten gefasst, Krieg und Frieden einspannend, Gesellschaft und Politik beleuchtend, je anhand von Einzel-Schicksalen erlebbar gemacht, die doch immer wieder verflochten erscheinen. …ein breit gefächerter, ein gesamtes Jahrhundert umspannender Roman einer zerrissenen Familie, ist ungeheuer farbig und einfallsreich erzählt, mal rasant, mal nachdenklich, ein Riesentableau, das Zeiten, Länder, Geschichtliches und vor allem eine Vielzahl von Schicksalen verschränkt, von Cliffhanger zu Cliffhanger vorwärtsjagend und dann wieder anrührend und zart. Ein Roman über das Flüchten und Auf-der-Flucht-Sein, über Heimat und Fremde, Zufall und Verwandlung und immer wieder die Frage: Wo waren wir, und wo werden wir einmal sein?“ Soweit möglich, stößt die Lektüre Erinnerungen an, triggert das Gedächtnis (genauer: die Gedächtnisse, gerade das episodische, Ereignisse mit allen Sinnen erinnerlich machend) und führt darüber hinaus in eine Vergangenheit, die die meisten Leser eher weniger zu erinnern vermögen: So wirkt Erzähltes früherer Generationen durchaus übers Leben des Erlebenden hinaus … Starke Literatur, vorab für einen Ausschnitt daraus ausgezeichnet mit dem Robert-Gernhardt-Preis 2016! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter