Wie Rassismus aus Wörtern spricht
Autor | Susan Arndt/Nadja Ofuatey-Alazard (Hg.) |
Verlag | Unrast |
ISBN | 978-3-89771-501-1 |
„(K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk“ tut tatsächlich genau das: Es schlägt eine Kerbe gegen den Rassismus in der (deutschen) Sprache – im Sprachgebrauch wie im darunter gelegenen Denken. Da passiert u.a. das, was als „Framing“ bekannt ist: Bahnen der Gedanken.
Enzyklopädie des Rassismus
Kern der 700 Seiten (plus Anmerkungs-Apparat) ist ein mehrteiliges Lexikon, das die jeweiligen Begriffe allerdings enzyklopädisch darstellt, mit vielerlei Quer-Verbindungen. Eingeführt durch diverse Beiträge zu „Rassismus und Kolonialismus: Geschichte(n), Kontexte, Theorien“, knapp die ersten 200 Seiten umfassend. Absolut relevant, denn „entgegen vieler Auffassungen ist der Kolonialismus längst nicht Geschichte, sondern diskursiv und strukturell bis heute virulent. Das erkenntnisleitende Ziel von »Wie Rassismus aus Wörtern spricht« besteht darin, herauszuarbeiten, wie weiße Europäer*innen kolonialistisches und rassistisches Denken erschaffen und es in Wissensarchiven und ihren Begriffen konserviert haben, durch welche es bis heute wirkmächtig ist. Folgerichtig werden hier Kernbegriffe des weißen westlichen Wissenssystems diskutiert, um das Zusammenwirken von Rassismus, Wissen und Macht aufzuarbeiten. Diese Ausführungen werden grundiert durch theoretische Erörterungen zu Kolonialismus und Rassismus und ergänzt um alternative widerständige Benennungswege.“ Ein weites Feld, das aufzuarbeiten gerade in heutigen Zeiten notwendig scheint. Und sei es „nur“, um die Diskussionen rund um Straßen- und Institutions-Namen durchaus kritisch hinterfragen zu können!
Alles Wörter oder was?
Die Begriffe werden dabei gleich gelabelt, weil sie in vier Bereiche unterteilt präsentiert werden: Wörter und Begriffe: Kernkonzepte und Artikulationsräume weißen Wissens – Widerstand und Sprache: Begriffliche Interventionen und konzeptuelle Neuschreibungen von People of Color – Gewalt und Normierung: Die alltägliche Macht rassistischer Wörter (Stichproben: exemplarische Analysen – St.: exemplarische Kurzbetrachtungen). Natürlich finden sich ausführliche Kapitel zu Entwicklungshilfe (…, S. 272ff.) oder Political Correctness (S. 496ff.). Doch „es geht dabei nicht um eine administrativ betriebene oder geforderte staatliche Sprachpolitik, sondern um die analytische Offenlegung dessen, was ›unsere‹ Sprache an Tradierungen enthält, was sie beinhaltet und somit reproduziert – und dabei durch Verleugnungsstrategien schützt. Die gesellschaftspolitische Hoffnung besteht darin, durch die sprachliche Bewusstmachung auch Bewusstsein und dann die Sprachpraxis zu ändern.“ Was diesen Reader plus Enzyklopädie zusätzlich lesbar macht, sind die eingeschobenen Texte wie „Innocent Racism“ (von Victoria B. Robinson, S. 44f.), die den Themenkreis literarisch erschließen und aufarbeiten: feine Idee!HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de