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Wie Kinder heute wachsen

Autor Renz-Polster, Herbert / Hüther, Gerald
Verlag Beltz

Etwas Unzufriedenheit könnte bei einem Leser vielleicht insoweit aufkommen, als zwei fach-kompetente Autoren – mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund – in den Buch-Texten „ich“ sagen, aber keine Kapitel-Urheberschaft erkennbar ist.

Im Übrigen bin ich auch persönlich etwas irritiert: Einerseits erfüllt die Publikation meine Erwartungen an empirische Fakten, wie sie der Titel nahe legt, nicht voll; andererseits ist es ein großartiges Buch mit wesentlichen und begründeten normativen Aussagen. Thema verfehlt? Hm!

Die Lektüre macht dem fachlich interessierten Leser überwiegend Freude: 260 Seiten mit ansprechenden farbigen Kapitel-Bildern jeweils zum Start von 8 spannenden, allerdings relativ abstrakt benannten Kapiteln, innerhalb welcher Unter-Kapitel zu grundlegenden Stichworten / Aspekten angeboten werden.

Die weitgehend gesellschaftskritisch fundierten textlichen Ausführungen sind den Autoren offenbar ein persönliches Anliegen, dürften aber durchaus auch einem allgemeinen und wichtigen Anliegen entsprechen.

Wird aber dieses Prozedere vom Leser erwartet und goutiert? Regt es so und hier zum Weiterlesen an, wenn Buch-Käufer vielleicht vor allem sachkompetente Informationen über das heutige Aufwachsen unserer Kinder erwarten und vermutlich weniger, wie Kinder idealerweise wachsen sollten?

Wer allerdings die Ausdauer hat, dennoch beim Umfang von rd. 260 Seiten, weitestgehend Sprachtext, nicht zu resignieren, wird durchaus mit wertvollen Hinweisen belohnt, beispielweise wie Sprachkompetenz – entgegen herrschender Vermutung – wirklich entsteht (S. 132).

Dem Rezensenten als konstruktiv-kritischem Leser mit zugleich ähnlicher persönlicher Intention – nämlich zu einer besseren Welt beizutragen, gerade was unsere Jugend angeht, – stellt sich die Frage:

Sind die indirekten Vorschläge der Autoren letztlich auch realistisch bzw. umsetzbar?

Falls nicht, dürften sie nicht nur ihren Zweck verfehlen, sondern könnten vielleicht sogar das Gegenteil erreichen: Solche Stimmen erhalten oft nicht nur kein Gehör, sondern können sogar eher Ablehnung bewirken.

Könnte hier vielleicht ein anderer, ein sogar einfacherer und pragmatischer Weg sinnvoll und vor allem realistisch sein? Dabei greife ich, bewusst unter Verzicht auf essenzielle Details, den Begriff „Frühkindliche Bildung“ auf, die von den (?) Autor(en) im Zusammenhang mit einer kritischen Formulierung (S. 103) angesprochen wird.

Denn hierzu wurde ein Projekt im Hinblick auf Unterstützung der frühkindlichen Bildung angeregt; Gerald Hüther wurde eine Beteiligung angeboten. Mangels aktiven Interesses der potenziellen Partner schwebt die Initiative derzeit lediglich im gedanklichen Raum.

Ziel war (und ist), Eltern und KindergärtnerInnen Hilfe anzubieten, genetische Dispositionen, die nach herrschender Meinung weitgehend – modifiziert durch Umwelt-Einflüsse – wichtige Grundlagen für Charakter-Bildung und Verhalten darstellen, möglichst frühzeitig zu erkennen mit dem Ziel, Kleinkinder fördern zu können und nicht etwa ohne Absicht zu schädigen, was bei Unkenntnis der Zusammenhänge durchaus der Fall sein kann.

Denn immer wieder gibt es Bestätigungen, dass Eltern ihre Kinder bewusst in dem Sinne erziehen wollen, wie sie (aufgrund ihrer eigenen Veranlagung) glauben, den Kindern optimal zu nutzen. Leider ist nicht selten genau das Gegenteil der Fall, so wie etwa der zitierte Robert P. Smith in den „Großen“ – den Eltern – sogar die natürlichen Feinde der Kinder sieht: „Sie wollten, dass wir so werden wie sie“. (S. 99)

In diesem Sinne ist ein Aufdecken – möglichst ein Reduzieren bzw. Beseitigen –solcher Fehl-Einschätzungen ein zentrales bildungs- und gesellschafts-politisches Ziel, das sich beispielsweise die Bildungs-Stiftung STUFEN zum Erfolg zum Schwerpunkt ihrer Aktivitäten gesetzt hat.

Zu diesem Zweck wurde – gemeinsam mit dem Verlag des „Zentrums für empirische pädagogische Forschung“ (Zepf) der Universität Koblenz / Landau – eine Schriftenreihe begründet, in der Erfolgs-Bausteine sowohl Eltern, Lehrern und Ausbildern als auch Schülern und Studenten angeboten werden, um die Basis legen zu können für das Andocken von “Grundlegenden Schlüssel-Kompetenzen“, d. h. solchen, die für den menschlichen Erfolg – persönlich und beruflich – essenziell sind, und zwar unabhängig von Alter, Beruf, Geschlecht und sozialem Hintergrund.

Dabei wird hier unter Erfolg nicht das verstanden, was vielleicht eine Erzieherin meint (S. 104), sondern die wahrgenommene Chance, die vorhandenen bzw. möglichen Potenziale eines Kindes gefördert zu haben.

Es wird in diesem Zusammenhang mit einem einfachen, aber hochwirksamen Modell gearbeitet, das in professioneller Form weltweit in der Wirtschaft eingesetzt wird. Statt der dort üblichen unterschiedlichen verbalen Bezeichnungen arbeitet die STUFEN-Stiftung mit plakativen Farben, die zugleich auch symbolisch wirken.

Dieses fundamentale Konzept einer groben Analyse der Persönlichkeits-Struktur lässt sich sehr pragmatisch im Hinblick auf „Individuell-optimales Lernen lernen und lehren“ sowie auch auf einen „Effektiv-effizienten Umgang mit der Zeit“ anwenden.

Der auf diesem Konzept aufbauende Erfolgs-Baustein „Lernen lernen“ wurde vor wenigen Tagen erstmals in Hessen – im Rahmen einer ganzen Gymnasialen Jahrgangs-Stufe (rd. 170 Schülerinnen und Schüler) – sehr erfolgreich eingesetzt.

Besondere Chancen bestehen darin, Eltern, die das Beste für ihre Kinder erreichen wollen, wenngleich oft mit untauglichen Mitteln, von den erheblichen und vor allem realistischen Möglichkeiten dieser innovativen Konzeption zu überzeugen.

Hilfe hierbei könnte eine hirn- bzw. neuro-biologische Fundierung bieten, wie etwa eine kompetent erweiterte und aktualisierte Bedienungs-Anleitung für das kindliche „Lern-Gehirn“, was heute weit über die bereits in diesem Zusammenhang genutzten Aussagen von Paul McLean zum Triune Brain hinausgehen könnte und sollte.

In diesen Möglichkeiten sieht der Rezensent großartige Chancen für eine populärwissenschaftliche Präsentation und Verbreitung solch grundlegender Erkenntnisse mit den entsprechenden Chancen für eine pragmatische Umsetzung zum Nutzen nicht nur unserer Kinder, sondern zugleich auch unserer Gesellschaft.

Bildung tut Not! Wissenschaftler und Pragmatiker vereinigt Euch – bitte rechtzeitig!

Prof. Dr. Hardy Wagner