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Welcome to Jerusalem

Autor Margret Kampmeyer, Cilly Kugelmann (Hrsg.)
Verlag Wienand
ISBN 978-3-868-32404-4

Als am 11. Dezember 2017 die Ausstellung „Welcome zu Jerusalem“ in Berlin öffnete, wirkte die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen und die Botschaft von Tel Aviv dorthin zu verlegen, noch frisch.

Im Frühjahr 2018 entfachen Angriffe auf jüdische Mitbürger, auf Erwachsene, Jugendliche und Kinder, in der Bundesrepublik Deutschland Forderungen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft nach effektiven Maßnahmen gegen die Verbreitung antijüdischer Aggressionen verbaler und physischer Art.

Diese haarsträubenden Entwicklungen machen den Besuch der Ausstellung, die bis April 2019 geöffnet ist, und den Erwerb des Katalogs umso dringender – in der Hoffnung auf Er-, wenn nicht Aufklärung und –sofern Judenfeinde überhaupt hingehen – Korrektur eigener Vorurteile und Verschwörungstheorien.

Judenfeindlichkeit, ob eingewandert oder nicht, ob primär historisch-religiös hergeleitet, als Sekundärer Antisemitismus (Kollektivschuld abgegolten, Antisemitismus als Geschäftsmodell) oder als Antisemitsmus im Rahmen politischer Gegnerschaft gegen die israelische Realpolitik (bei der freilich Verschwörungstheorien und ideologische Einseitigkeiten Mutter der Geburt sind) – antijüdische Haltungen und aggressive Handlungen, die hierzulande viele Jahre verharmlost wurden, könnten dank dieser Ausstellung durch ihren (fokussierten) Bezug auf historische Fakten gezielt thematisiert und auf ein breiteres Fundament gestellt werden. Dem widerspricht das Bemühen um Wertneutralität der Kuratoren durchaus nicht. Zumal aktuelle Ereignisse rund um Jerusalem und anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Staates Israel an einer Pinnwand gesammelt und ausgewertet werden sollen.
Zu den Intentionen, die die Kuratoren bzw. das Jüdische Museum mit Peter Schäfer als seinem Direktor formulieren, gehört zentral, Einsichten und Verstehen in die jüdische Religion zu ermöglichen. Dafür sei Jerusalem zentral. Doch die Ausstellung vermittelt mehr, nicht zuletzt, weil sie sich allen drei monotheistischen Religionen widmet.
Die Ausstellung bemüht sich um eine ausbalancierte, ausgewogene Darbietung und präsentiert alle drei monotheistischen Religionen aus verschiedenen Perspektiven und bettet sie in historische, kulturelle, politische und ästhetische Kontexte ein. Dazu bedient sie sich multimedialer Inszenierung. Beispielweise sind Kommentare von Einwohnern Israels zu hören, laufen Filmdokumente in der Endlosschleife; präsentiert werden Informationen und Geschichten etwa anhand Videoinstallationen, Filmsequenzen und –dokumente auf großen Leinwänden, virtuelle Realitätstechnik stärkt das Erleben, und analoge Exponate (auch Leihgaben sind darunter) wie Bilder, Fotos und Skulpturen beeindrucken auch emotional.
Die außerordentlich beeindruckende und aufwändig gestaltete und über Jahre vorbereitete Ausstellung konzentriert sich auf drei Orte Jerusalems: auf die Klagemauer, den Tempelberg und die Grabeskirche. Diese werden kulturhistorisch, siedlungs- und kolonialgeschichtlich und mit politischen Skizzen und Alltagsszenen ebenso erlebbar wie anhand der zahlreichen religiösen Symbole und Repräsentationen. Der Besucher kann auf 1000 Quadratmetern wandeln, 15 Räume betreten und etwa 170 Exponate bestaunen – eine Vielfalt, die an einem Tag kaum zu bewältigen ist.
Der Katalog mit Beiträgen von verschiedenen Fachleuten zeigt die thematische (statt chronologische) Kategorisierung in seinen Kapiteln: Grußwort von Peter Schäfer, Einleitung, Die Heilige Stadt, Diesseits und Jenseits der Stadtmauer, Berlin in Jerusalem, 1948-1967. Die geteilte Stadt, Die vereinte Stadt – Geteilt. 1967 und die Folgen, Epilog. Als Vorbereitung auf die Aufstellung, als Nachbereitung, als Begleitung, als Grundlage für Kontroversen und für zu Hause als Erinnerung und zum Nachschlagen zu empfehlen.
Dieser Ausstellung und dem Katalog ist vieles zu wünschen. Unter anderem eine großartige Besucheranzahl und der Stellenwert eines permanenten Echos: eine nachhaltige Wirkung in der politischen und gesellschaftlichen Debatte und Praxis, jedweden antijüdische Ressentiments, gar Angriffen, effektiv zu begegnen, um sie binnen kurzer Zeit idealilter zu verunmöglichen.

Regina Mahlmann