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Vonne Endlichkait

Autor Günter Grass
Verlag Steidl
ISBN 978-3-95829-042-6

Sein letztes, das quasi nachgelassene Werk – und eines, das auch noch die verschiedenen Facetten seines Kunstwerkens bietet, „all in one“ sozusagen: Zeichnungen, Prosa, Lyrik – alles ist seins, also von ihm. Dass er auch noch ein höchst politischer Mensch war, weiß man aus seinen frühen wie seinen späten Jahren. Sei es sein Engagement für die SPD, die er durchaus kritisch begleitete. Sein Geständnis zur Nazizeit, mag sein aus dem Gefühl hohen Alter(n)s heraus – sein Griechenland-Gedicht: Einer, der Stellung bezogen hat. Und eine Menge an lesens- wie auch behaltenswerter Literatur hinterlassen, mit Grund Literatur-Nobelpreis-Träger. Wer sich vertieft, findet zufällige Aktualität wie „Fremdenfeindlich“ (S. 76), an die Vertriebenen-Aufnahme nach dem Zweiten Weltkrieg erinnernd: „Erst als die immer schon Heimischen // sich fremd genug waren, // begannen auch sie // in all den Fremden, // die mühsam gelernt hatten, // ihr Fremdsein zu ertragen, // sich selbst zu erkennen // und mit ihnen zu leben.“ Das eigene Ende voraus ahnend, hatten zudem seine Frau und er bereits für Särge gesorgt, die dann ungenutzt in der Ecke standen – und schließlich gestohlen zu werden und dann wieder zu kehren. Was Grass mit einer anderen „Story“ verbindet, die er gehört hatte (S. 153, 152). „Das Ende“ sieht er wieder kehrend in den kurzen Prosa- (die auch schon mal was länger …) wie auch Lyrik-Stücken vor sich (S. 131 z.B.). Auch an seinen Kindheits-Dialekt erinnert er sich offenbar verstärkt – und schließt denn auch darin (S. 173): „… // Nu mecht kain Ärger mähr // und baldich bässer // un nuscht nech ibrich // un ierball Endlichkait sain.“ Und schließlich noch dies: „Allen Zumutungen des Alterns und der ‚Endlichkait‘ zum Trotz, plötzlich erscheint erneut fast alles möglich: Liebesbriefe, Selbstgespräche, Eifersuchtsdramen, Schwanengesänge, Gesellschaftssatiren und Augenblicke des Glücks drängen aufs Papier. Plötzlich findet rhythmisierte Kurzprosa ein vielstimmiges Echo in episch wuchernden oder pointiert zugespitzten Gedichten. Plötzlich entstehen sinnenfrohe Doppelstücke, die vom Zeichner ins Bild gesetzt, weitererzählt oder auf den Doppelpunkt gebracht werden. So traurig und gewitzt, so lebensklug und doch kämpferisch kann nur ein in die Jahre gekommener Künstler ans Werk gehen, der dem Tod wiederholt von der Schippe gesprungen ist. Zahlreiche berührende Geschichten bringt er hervor, verdichtet sie zu kunstvollen Miniaturen, die hier und jetzt spielen. In ‚Vonne Endlichkait‘ schafft der Literaturnobelpreisträger in einem beeindruckenden Wechselspiel aus Lyrik, Prosa und Illustration sein letztes Gesamtkunstwerk.“ So der Verlag, der selbst beeindruckend ist, auch und durch die Person seines Verlegers: Leser kann sicher sein, mit einem solchen Buch wahrhaftig Wertiges in Händen zu halten, inhaltlich, gestalterisch – und auch in Satz und Material. Tatsächlich, ein „Gesamtkunstwerk“. Leser genieße es! HPR

Hanspeter Reiter