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Verrat

Autor Nicholas Searle
Verlag Kindler
ISBN 978-3-463-40692-3

„A traitor in the family“ verdeutlicht der Titel des englischen Originals sofort, was eh bei der Lektüre rasch klar wird: Eine Ehefrau versucht, ihren Mann aus dem Gewirr der IRA heraus zu holen, teils vielleicht gar mit seinem Willen. Was nur gelingen wird, wenn sie verrät, was er plant – resp. seine Führungsleute in der IRA mit ihm planen.

Gesellschaft, Geheimdienst, Geschichten in Irland
Gerade zuzeiten von Brexit und offenen Grenz-Fragen für Irland ist diese Geschichte eine, die erhellen kann, wohin der Weg künftig führen könnte – wieder führen könnte … Mit vielerlei Einblick in das Vorgehen der Geheimdienste wie auch der geheimen Gesellschaften Irlands. „Weihnachten 1989. Bridget O’Neill blickt mit Grauen den Feiertagen entgegen: Wird ihr Gebäck Gnade finden vor der Schwiegermutter? Ihr Mann ist derweil in Calais, um einen britischen Soldaten vor den Augen seiner Familie zu töten. Francis ist ein Fußsoldat der IRA, der Kampf ist ihm Beruf und Lebenszweck. Doch seine Frau leidet sehr am Bürgerkrieg: die bösen Geheimnisse, der Heimatort, der einer Geisterstadt gleicht, Jahre wie Blei. Bridget lässt sich vom britischen Geheimdienst rekrutieren und wird doch die Schuldgefühle – beiden Seiten gegenüber – nicht los. Auch Francis’ Bruder Liam will Informant werden. Ein Hinweis von Francis beschert ihm den Tod. Und «Gentleman Joe», Francis’ Boss, schätzt solche Treue. Er hat gleich den nächsten Job für Francis: ein Bombenattentat.“ Schwere Kost durchaus, allerdings derart lapidar geschildert, dass Leser Abstand halten kann.

Sündenbock?
Nun, in der Taktierei der IRA-Granden in jener Zeit kam es auf das eine oder andere Kollateral-Opfer in eigenen Reihen kaum mehr an, so scheint es: „Dass die IRA insgeheim längst mit den Briten verhandelt, weiß Francis nicht. Er hat auch ohnedies schon Zweifel am Krieg, dem er seinen Bruder geopfert hat. In einer schwachen Stunde weint er sich bei Bridget aus, die den Attentatsplan weitergibt. Francis wandert in den Knast. Und Bridget fühlt sich durch ihren Verrat noch mehr an ihn gebunden. Sie wird auf ihn warten – auf die Gefahr hin aufzufliegen.“ Doch die Geschichte geht noch weiter: „Nach sechs Jahren – der Bürgerkrieg ist Geschichte – wird Francis entlassen: Er kommt in eine Welt, in der es keinen Platz gibt für einen Mann der Vergangenheit. Enttäuscht konzentriert Francis sich auf die Suche nach dem Verräter und bringt damit sich und Bridget in höchste Gefahr …“. Denn wer der seinerzeit Verantwortlichen wird schon bloßstellen lassen wollen? Bietet der britische Geheimdienst doch eine faire Chance, geschuldet damaligem Zusammenarbeiten? Spannend wie (geschichtlich) lehrreich. HPR

Hanspeter Reiter