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Verachtung

Autor Jussi Adler Olsen
Verlag dtv
ISBN 978-3-42328002-0

Wieder mal „ein Fall für Carl Morck, Sonderdezernat Q“ – und einer mit Bezug zum deutschen Nationalsozialismus: Der Kern des Geschehens ist Euthanasie, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts offenbar in vielen Ländern „üblich“ war, eben auch in Dänemark, worauf Adler Olsen im Nachwort hinweise. Leser weiß rasch, worum es geht, ist Morck [&] Co. dadurch immer ein paar Schritte voraus. Ohne zu wissen, ob die Übeltäter (ja, wahrhaft, übel, böse!!) vielleicht doch davonkommen und inwieweit Opfer dann auch Täter werden. Das Tüpfelchen auf dem i ist die Figur des syrisch-stämmigen Kollegen, dessen eigene Nähe zu den Geschehnissen wie in der Vergangenheit der Geschichte immer wieder angedeutet wird. Erschließen wird Leser die Geschichte(n) parallel, weil Gegenwart und Vergangenheit abwechseln – Vergangenheit sogar in zwei Ebenen. Der Autor gräbt tief – und er hat offenbar exzellent recherchiert, bis hin zu konkreten Orten und schrecklichen Abläufen, wie ich sie vorher eigentlich nur der NS-Zeit in Deutschland zugerechnet hatte … Der deutsche Titel „Verachtung“ ist vieldeutig, passend zu den verschiedenen Erlebnis- und Handlungsebenen des Thrillers (im Original: Journal 64 = Akte 64). Mehrfach kommt es dazu, dass die Ermittler fast scheitern, vielleicht mit Ausnahme der dritten „im Bunde“, einer scheinbar bipolaren Frau. Und auch der Chef-Ermittler selbst trägt so seine Macken mit sich – und seine eigene Vergangenheit, sei es Beziehung, sei es Kollege – sogar im eigenen Heim. Da ist viel subtil und anderes fast mit dem Holzhammer eingeschlagen. Weit über 500 Seiten Spannung bis zuletzt. Wenn sich die letzten Rätsel rund um Nete Rosen, geb. Hermansen, auflösen, der zentralen Figur. Und zugleich mit der klaren Botschaft: Jeder kann es schaffen, wenn er oder sie auf die richtigen Personen trifft. Bei Nete ist das ein Lehrerpaar, das ihr auch die entscheidenden Affirmationen für ihr Leben vermittelt: „Wer dies lesen kann, ist kein Analphabet“ und „Du bist gut genug!“. Doch als sie „es“ längst geschafft hat, tritt der böse Geist ihres früheren Lebens wieder auf und löst die folgenden Geschehnisse erst aus, die auch ihn und seine Organisation mehr als (be)treffen werden. Damit startet der Thriller … – Dies ist der „vierte Fall für Carl Morck“, den vorherigen (Erlösung) habe ich ebenfalls hier rezensiert. – HPR

Hanspeter Reiter