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Unternehmen in der Psychofalle

Autor Regina Mahlmann
Verlag Wege hinein, Wege hinaus
ISBN 978-3-86980-1-827

Der Untertitel „Mein Coach. Mein Therapeut. Mein Chef.“ fokussiert wunderbar die Zwickmühle, in die viele Middle-Manager sich haben inzwischen schieben lassen: „Führungskräfte werden immer mehr dazu genötigt, für ihre Mitarbeiter die Psychologenrolle zu übernehmen. Unternehmen werden zunehmend zu umfassenden Fürsorgeeinrichtungen. Dieses Buch ist ein Plädoyer dafür, das psychologische Pflichtenheft von Führungskräften auszudünnen, und dafür, Unternehmen aus der Allzuständigkeit für das leibliche, seelisch-geistige und soziale Wohl von Mitarbeitenden zu entlassen.“ (S. 10) Provokativ stellt die Autorin noch in der Einführung folgende drei Fragen (und die darin liegenden Aussagen zugleich infrage): Führungskraft als Joker? Führungskraft als Ausbeuterin? Führungskraft als Wissensumsetzerin? Denn: „Führungskräfte als Laiendiagnostiker und –therapeuten – angesichts von Depressionen und Burnout setzt sich dieses Bild in Personalabteilungen und der Weiterbildungsbranche auf leisen Sohlen durch.“ (Umschlagtext) Während vor Jahren ein Dr. Richard Gris (damaliges Pseudonym von Dr. Axel Koch) mit der „Weiterbildungslüge“ Trainer und Berater aufs Korn nahm, ohne wirklich eine Alternative anzudeuten, durchleuchtet Regina Mahlmann „die andere Seite“. Womit die unterschiedlichen Rollen im Spiel von Führen und Weiterbilden eher abgeglichen werden, statt es bei Schuldzuweisungen zu belassen. Rund um ein Thema, das mehr als aktuell ist, siehe das diesjährige Thema des GABAL-Herbst-Impulstages HIT 2013 „Weiterbildung für einen ausgewogenen Lebens-„Wandel““. Die Autorin bietet u.a. nach einer historischen Herleitung, wie es zur „Psychologisierung des Führungspflichtenheftes“ hat kommen können, Lösungsauswege an (siehe ein dreigeteiltes Führungs-Manifest) und bringt Begriffe mit ein, die entweder noch recht frisch sind in der Management-Literatur (wie HRO = High Reliability Organisations) oder schon wieder über-vereinnahmt für alles (Un-)Mögliche herhalten müssen (wie Resilienz). Im (eigentlich) abschließenden Kapitel 8. „Exklusion versus Inklusion: Unternehmen als totale Institution?“ (S. 221ff.) bietet sie eine kurze Diskussion der auch politisch brisanten soziologischen Frage und konkrete Ansätze, wenn die Frage bejaht werden soll, etwa (S. 227f.): „… kann ein Unternehmen das Modell des Vertrauenslehrers in Schulen übernehmen … Will sich eine Firma das alles nicht leisten, könnte die Führung überlegen, ob das Unternehmen mit Psychoinstitutionen … zusammenarbeitet … Das sind einige Szenarien, wie Unternehmen, die eine Totalinklusion und damit die Aufgabe „Psychologisieren“ annehmen, Wege gehen können, um beides zu leisten: Psychopflichten vom Management abwehren und gleichzeitig Wünschen nach ganzheitlichem Wohlergehen … Rechnung tragen.“ Womit naturgemäß Weiterbildung erst recht im Spiel bleibt … Der Leser sollte sich ein eigenes Bild machen und von den gut 200 Seiten Text (plus umfangreiche Anmerkungen und Literatur) profitieren, u.a. mit Kapiteln wie „Was brauchen Unternehmen – „den ganzen Menschen“ oder „Rollenträger“? S. 17ff., „Das Führungskräftedilemma: Niete in Nadelstreifen und Weißer Ritter zugleich“, S. 33ff. oder „Heroisches Management: Vom Manager zum psychologisierenden Helferlein“, S. 49ff. Sie sehen, viel Anlass zum Schmunzeln, bei allem Ernst dieses Buches, das voller Ernsthaftem ist! U.a. mit ausführlichen Zitaten einiger Top-Manager, primär aus KMUs. Alles höchst lesenswert, intellektuell durchaus fordernd – und sehr dazu anregend, eigene Gedanken einzubringen. Wozu die Autorin im Nachwort ausdrücklich auffordert: „Work in Progress“! Erster Einblick via http://www.businessvillage.de/Unternehmen-in-der-Psychofalle-Wege-hinein.-Wege-hinaus./eb-888.html. Doch gilt: erst lesen, dann schreiben …

Hanspeter Reiter