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Uli der Pächter

Autor Jeremias Gotthelf
Verlag Diogenes
ISBN 978-3-257-07251-8

„Ein Bildungsroman“ – nämlich die Fortsetzung von „Uli der Knecht“, von mir hier bereits besprochen. Nochmals 600 nachdenklich machende, lesenswerte Seiten! Und für unsereins Deutsche durchaus leichter zu lesen als der Vorgänger-Roman: Das hat damit zu tun, dass damit das deutsche Publikum adressiert sein sollte – wie in der „Editorischen Notiz“ erläutert wird (S. 582ff. Zur Textgestalt)..

Erwachsen werden Teil II
…ist der Kern des Geschehens, so ebenfalls die Ed. Notiz (S. 569ff.) wie auch „Die Überschrift zum Unglück“ (Nachwort von Monika Helfer, S. 559ff., modernisierter Rahmen). Nun, auch dieser „Roman handelt nach 1834 im Berngebiet. Uli erfährt als Pächter in seinem bäuerlichen Umkreis zwar leidvoll die Schlechtigkeit der Menschen, hat aber auch Helfer in der Not. Nachdem Uli sein Vreneli geheiratet hat, pachtet er von Joggeli die Glungge. Joggeli zieht sich mit seiner Frau auf das Altenteil zurück. Die Glunggenbäuerin – das ist Vrenelis Tante – hatte das Mädchen erzogen und hat sie „lieber als die eigenen Kinder““. Vreneli ist in der Glungge aufgewachsen und hat von der Welt wenig gesehen. Uli besitzt sechshundert Taler und muss Joggeli jährlich achthundert Taler Pacht zahlen. Die Auseinandersetzungen mit Vreneli, die Haushaltung betreffend, lassen nicht lange auf sich warten und dauern über den Roman hinweg an. Zum Beispiel schilt er Vreneli, wenn sie Bettlern Kuchen bäckt. Die Verlängerung der Arbeitsverträge mit dem Personal zögert Uli durch beharrliches Schweigen hinaus. Zwei der besten Knechte nehmen eine andere Stellung an. Während Vreneli im Haus Vorräte horten möchte, will Uli möglichst alles versilbern. Was nichts kostet, gefällt ihm am besten. Bei allen Differenzen hat Uli seine Frau von Herzen lieb. Er weiß, was er an ihr hat…“, wenn er es auch erst lernen muss, Schritt für Schritt (S. 180f. etc.), teils schmerzlich wie schon im ersten Band. Und letztlich erst eine schwere Krankheit (Depression?!) ihn zu einer Person (ver)wandelt, als die er in sich ruhend anders mit Tagwerk und Menschen umzugehen versteht. Doch auch das Vreneli muss durch derlei dunkle Täler wandern (S. 260ff.), bis beide schließlich wieder zueinander finden.

Schwerer Alltag und Happy-ending
Das Hagel-Thema wird hier ein zeitweise zentrales (S. 388ff. usw., siehe meine Hinweise auf die Buddenbrooks zum ersten Band!). Und wer es zu weit treibt, kann tief fallen, wie Joggeli am Ende seines Lebens erfahren muss (S. 452ff.), mit allen Folgen nach seinem Tod. Doch für die Pächter wandelt es sich schließlich nach einigen Tiefschlägen zum Guten – zuletzt mehr als zu erwarten, mehr als fürs Erste Uli wissen darf. Und meine Leser, sonst: Spoiler-alert  … Leserschaft lasse sich überraschen – oder komme im letzten Drittel langsam selbst darauf! Kurz zum Autor: „Jeremias Gotthelf (1797-1854) war das Pseudonym des Schweizer Schriftstellers und Pfarrers Albert Bitzius. Seine Romane spiegeln in einem zum Teil erschreckenden Realismus das bäuerliche Leben im 19. Jahrhundert. Mit wenigen starken, wuchtigen Worten konnte er Menschen und Landschaften beschreiben. Gotthelf verstand es wie kaum ein anderer Schriftsteller seiner Zeit, die christlichen und die humanistischen Forderungen in seinem Werk zu verarbeiten.“ Naturgemäß damaligen Zeiten geschuldet für heute etwas aus der Zeit gefallen – und dennoch: anregend zu Reflexion, nachdenklich machend! Mit gelegentlichem Stirnrunzeln, wenn Gotthelfs Antisemitismus aufpoppt (sehr deutlich etwa S.447), auf den dieses Mal auch Philipp Theisohn als Autor der Ed. Notiz hinweist (S. 576f.)… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter