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Totenblüte

Autor Ann Cleeves
Verlag rororo
ISBN 978-3-499-25315-7

„Vera Stanhope ermittelt, Band 1“ ist der Start einer inzwischen auf sieben Bände (deutsch) gewachsenen Serie. Dem einen oder anderen Leser vielleicht verfilmt bekannt – auch recht gelungen, in der crossmedialen Transformation. Jedenfalls meinte ich beim nachträglichen Lesen einiger der Krimis, Gesehenes wiederzufinden (andersherum also) …

So geht´s los, mit Vera…
Die Überschrift des Rückentextes geht schon einen Schritt über den Titel hinaus: „Die Blumen des Bösen“ verbindet gleich hin zum Geschehen: „Ein heißer Sommerabend an der Küste Northumberlands. Wie hatte sich Julie Armstrong auf ihr erstes Date seit Jahren gefreut. Doch bei ihrer Rückkehr erwartet sie ein schreckliches Bild: Ihr Sohn Luke liegt tot in der Badewanne, auf dem Wasser schwimmen Blüten. Wenig später treibt die attraktive Referendarin Lily im Teich inmitten von Blumen – ein schauriges Gemälde.“ Offensichtlich gibt es eine Verbindung, die das Team zunächst vergeblich sucht, denn „Die inszenierten Morde geben Kommissarin Vera Stanhope und ihrem Kollegen Joe Ashworth Rätsel auf. Doch sie wissen: Der Mörder wird wieder zuschlagen – bis das Kunstwerk des Todes vollendet ist.“ Wird also eine Serie daraus, ist der dritte Mord zu erwarten? Und was verbindet die beiden Toten miteinander, außer den Blüten im Wasser?

Geschichten in den Geschichten
… liefert jeder der Romane jeweils aufs Neue – und zugleich wiederkehrend die gleichen. So wird dem Leser gleich im ersten Lokalkrimi (ja, auch die Küste Northumberlands wird ausgiebig gewürdigt) ein Teil von Veras Vorgeschichte geboten: Das Aufwachsen nur mit dem Vater, der u.a. Vogel-Beobachter war und illegal seltene Greifvogel-Eier „gesammelt“ hat – und ihr Flüggewerden hin zur Polizei. Gut eingebaut ins Geschehen, denn da gibt es eine Gruppe von Herren unterschiedlichster Couleur, die eben dem Vogelbeobachten frönen: Spielt das evt. eine Rolle? Eingeführt werden zudem die weiteren Team-Mitglieder, die den Leser dauerhaft begleiten werden: Sergeant Joe, gerade frisch gebackener Vater, bei dem nach und nach weitere zwei Kinder hinzu kommen werden, im Sandwich zwischen der Chefin und der Ehefrau, die ihn beide stark fordern (Vera ihn nach und nach auch fördernd). Der mit Vera gleichaltrige Charlie, langjähriger Ermittler mit eigentlich besten Verbindungen überall hin, jedoch anfangs fast vertrottelt, als Folge seiner Scheidung, später wieder aufblühend, nachdem seine Tochter zu ihm „zurück gekehrt“ ist. Schließlich Holly, die Jüngste im Team, schon früh ehrgeizig, im Laufe der Zeit ihre Skills erweiternd, gerade bei der Internet-Recherche, schließlich auch im Verhören. Im Zentrum immer Vera, die eine Menge Macken hat (u.a. übergewichtig ist und gerne mal „einen“ zuviel trinkt, dennoch immer fitter ist als ihr Team zusammen), in ihrer Rolle ein wenig à la Columbo, deshalb meist unterschätzt wird, von Bösewichten wie von Zeugen – längst nicht mehr von Kollegen und Vorgesetzten, ihrer exzellenten Aufklärungs-Quote geschuldet…

Leser ist mitten drin im Geschehen
Vor allem deshalb, weil die Autorin neben den Dialogen auch Einblick ins Denken und Seelenleben bietet (was wiederum der Film nur teilweise zu spiegeln vermag, dort allerdings zu erschließen ist, aus dem erlebten Geschehen heraus). Anfangs zentriert auf Vera, später nach und nach auch für die anderen Figuren: Zunächst bei Joe, dann auch bei Holly – Charlie wird folgen. Sogar die Gedanken Betroffener öffnen sich dem Leser, etwa in „Die andere Tote“ jene von Patty, der Tochter eines früheren korrupten Polizei-Oberen, der im Gefängnis sitzt und Vera mit Informationen lockt, sich um eben sie und die Enkel zu „kümmern“… Und wie geschickt Vera in der Kommunikation ist, wenn auch scheinbar weniger bemittelt, blitzt immer wieder auf im Text auf, siehe etwa S. 176: „“Wie ich höre, sind Sie ja Fachmann auf dem Gebiet“ hatte sie noch eines draufgesetzt und ihn förmlich schnurren hören.“ Gerade mit Männern natürlich, weil sie denen wenig Anlass bietet, sie als Frau zu sehen… Was sie bestens zu nutzen weiß. Ach gegenüber Patty, die langsam ihrer Depression entkommt und besser mit ihren Kindern umgeht, immerhin deren drei (S. 234f. z.B. ). Andererseits „galoppierte ihre Zunge manchmal ihrem Verstand davon“, wenn sie wütend war (S. 74 in „Das letzte Wort“). Vielerlei bietet sich jedenfalls auch Weiterbildnern jeglicher Coleur, sei es Führungs-Verhalten, Team-Building, Kommunikation für Trainer, Coaches, Berater … Dazu ein letztes Zitat, hier aus „Die andere Tote“ (S. 123): „… und bei solchen Recherchen sind sie unübertroffen.“ Ihr war inzwischen klargeworden, dass Holy ab und zu einen anerkennenden Klaps auf die Schulter brauchte.“ Übertragen gemeint natürlich, denn Körper-Kontakt meidet Vera lieber – auch das von der Kindheit her, aus der Zeit, in der ihr (ja sie alleine erziehender) Vater Mitglied der Viererband war. Doch das ist eine andere Geschichte, die im eben zitierten Band aufpoppt: Immer mal was Neues! Und mit derlei vielen versteckten Hinweisen im Verlauf der Geschichte, dass Leser sich abschließend fragt, wie er derart Offensichtliches überlesen konnte?! Vera jedenfalls fügt schließlich die Fäden bestens zusammen… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter