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Selbstgespräche – Wir müssen reden

Autor Maximilian Brückner
Verlag sonstige
Preis 12,95

Hin- und her gerissen kann der Betrachter sein, wenn er die 95 Minuten Film ablaufen lässt: Ist das eine Fortsetzung der Anti-Callcenter-Kampagne, dieses Mal im Spielfilm-Format? Oder doch schlicht eine „Charakterstudie“ deutschen Arbeitslebens, am (zufälligen) Beispiel eines Callcenter-Dienstleisters? Ein Hinweis auf Tipp 1 könnte sein, dass für eine ¾ Minute Kollege Wallraff ins Bild kommt, in „guter“ alter Hitchcock-Manier. Andererseits sind die ausführlicher gezeigten handelnden Personen in ihrem Verhalten durchaus ausgewogen. Da gibt es das Klischee des hohen Drucks im Team, vom Kunden an die Geschäftsführerin – von dort an den Abteilungs-/Teamleiter, schließlich an den einzelnen Agent. Andererseits wird der unfair verkaufende Vielschwätzer innerhalb des Teams zurück gepfiffen – und ruft die über den Tisch gezogenen Personen schließlich nochmals an, um die Situation zu lösen.

„Selbstgespräche“ zeigt viele Situationen, die exakt im wörtlichen Sinne des Titels rüber kommen: Häufig sind die Personen vor allem mit sich selbst beschäftigt und sprechen Sie „parallel“ von unterschiedlichen Dingen, die sich gerade beschäftigen – also: aneinander vorbei … Fast zu holzschnittartig gezeigte Charaktere des Outbound-Teams sind u.a.:

ein autistisch anmutender Erfolgs-Verkäufer: Er vermeidet Blickkontakte und ist in sich gekehrt – am Telefon ist er für sich alleine und kommuniziert zielgerecht und erfolgreich!
sein Antipode, der extrem extravertierte „Sales-Man“ mit Schauspiel- und Starmoderator-Allüren – der in dieser Geschichte den wohl intensivsten Wandel in Verhalten und Lebenseinstellung durchlebt.
der Teamleiter, der seinen Callcenter-Alltag auch am Abend oder Wochenende nicht mehr verlassen kann und so eine „deformation professionelle“ erlebt: Beziehung zunächst ge-, schließlich zerstört; in seiner Sandwich-Position kaum noch Luft gewinnend; das Beste wollend und dabei fast nur noch funktionierend …
die Chefin als Karikatur, in einem „standesgemäß“ eingerichteten Edelbüro, während die Kojen der Agents nur das Nötigste bieten – und die im Kampf um Kundenaufträge nur die eine Lösung kennt: Druck aufs Team.
eine Innenarchitektin mit dem „Zwischenhalt“ im Callcenter, vor der Rückkehr in den angestammten Beruf, die ihren Weg als Alleinerziehende dann doch findet …

Der von der NRW-Filmförderung unterstützte Kinofilm ist manches Mal etwas sehr schwarz-weiß, mit unmittelbar neben einander stehenden Szenen wie lecker Cappu bei der Chefin – Kaffeemaschine der Mitarbeiter kaputt. Fragwürdig, wie der Teamleiter sich heimlich in Kundengespräche einklinkt oder Gespräche übernimmt, um so der Mitarbeiterin zu zeigen, „wie es geht“: Coaching geht anders ? … Happy end(ing)s stimmen den Zuschauer versöhnlich – doch das sollten Sie selbst erleben!

Fazit: Meine Empfehlung ist, legen Sie sich die DVD zu, um sie mit Ihren Mitarbeitern (in Team-Größe) zusammen anzuschauen – und zu analysieren. Wenn mein Verständnis von Copyright noch stimmt, sollten Sie dies – als „geschlossene Veranstaltung“ – dürfen. Natürlich investieren Sie selbst vorher schon mal gute 1,5 Stunden, um sich ein eigenes Bild zu machen: Wohin führen Sie die reflektierende Analyse zusammen mit den Agents? Je nach Größe Ihres Call-Centers machen Sie zunächst eine Kinostunde mit den Führungskräften daraus, die dann den Film ihren Mitarbeitern vorführen. – Fürs Kino ist es wohl zu spät: Dort lief er im Herbst 2008; vielleicht hat der eine oder die andere Agent ihn ja gesehen?

Hanspeter Reiter