Roter Mars
Autor | Kim Stanley Robinson |
Verlag | Heyne |
ISBN | 978-3-453-31696-6 |
„Die Mars-Trilogie“ startet mit diesem Band – und setzt eine Vision in konkrete Mission um:
Ich lese diesen ersten Band zu einer Zeit, in der immer mal wieder das Thema „Mars Mission“ aufpoppt, vonseiten NASA oder privaten Unternehmen. Und just „mitten drin“ kriege ich eine Castle-Folge im TV auf Sixx mit, die in einer – Mars-Simulation spielt … Zwar wäre 2026 wie im Roman kaum realistisch, doch 2030 hat „man“ durchaus im Blick. Siehe dazu auch den Anhang „Unser Weg zum Mars“ von Elisabeth Bösl, einer Art Hg. S. 807ff.
Utopie oder Dystopie?
Dieser 3-Bänder ist für mich mehr als „klassische SciFi“: Im Mittelpunkt steht das Miteinander von Menschen, interkulturell und schließlich „extraterrestrisch“. Wie entwickelt sich eine Kolonie im Laufe kurzer Zeit, zunächst auf sich alleine gestellt? Das Umgehen miteinander, der Aufbau einer Gesellschaft, scheinbar fernab der Erde, siehe etwa S. 241ff. mit sehr unterschiedlichen Ansichten zur potenziellen künftigen Ordnung auf dem Mars… Doch der Einfluss bleibt und wächst. Inklusive der Gefahr eines Kollapses – doch geht der Trend eher zu einer Parallel-Gesellschaft, möglich in den Weiten des Mars, der gleich viel Landfläche aufzuweisen hat wie „Heimat Erde“, schlicht, weil es ihm an Meeren fehlt. Und doch gibt es Wasser, unterirdisch halt. Und wohl Chancen, den Planeten zu transformen, ihn für Menschen lebensfähig zu machen, mit angepasster Atmosphäre (siehe z.B. S. 302ff.) – doch zu welchem Preis? Und ist es womöglich denkbar, in veränderter Umgebung Leben zu verlängern (S. 409ff.)? Immer auch unter Aspekten von Wechselwirkung mit der Erde und den Entwicklungen dort, siehe Transnationale (= globale Konsortien, S. 484ff. oder S. 556ff.) im Widerstreit zu je mächtigeren Einzelstaaten oder Kooperationen wie den UN. Naturgewalten werden dann entfesselt, wenn Menschen meinen, Macht ausüben zu sollen. Mithilfe arger Waffen – hier kommt dann tatsächlich mal „Technologie“ in den Blick, sonst häufig zentral in SciFi.
Die erste Kolonie auf dem Mars
Sorgsam recherchiert ist die Story, mit nach und nach vielen Details zum Geschehen auf dem Mars, wie wir es beobachten. Etwa das Marsjahr, knapp doppelt so lange wie ein terrestrisches (S. 174ff.). Oder das Thema möglichst energieschonenender Reise-Wege von der Erde zum Mars, z.B. S. 435ff.
„Es ist die größte Herausforderung, der sich die Menschheit je gegenübersah: die Besiedlung unseres Nachbarplaneten Mars. Die Verwandlung einer lebensfeindlichen Wüstenwelt in einen blauen Planeten wie die Erde. Von der ersten bemannten Landung auf dem Mars über die frühen Kolonien und ihre Auseinandersetzungen, welche Form von Gesellschaft sie erbauen sollen, bis zum riskanten Versuch, das Klima einer ganzen Welt zu verändern – Kim Stanley Robinson erzählt in seiner Mars-Trilogie die Geschichte der Zukunft wie ein großes historisches Epos.“ Im ersten Band mit einer Eil-Entwicklung, die durchaus denkbar scheint: In einem halben Jahrhundert via diverse Experimente zum Spielball diverser widerstreitender Mächte der Erde zu werden – bis hin zu radikaler Veränderung, wie sie sich früh abzeichnet, in Gruppen- und Cliquen-Bildung innerhalb der „ersten Hundert“, die den Mars besiedeln. Sorgsam ausgewählt und dennoch überraschend anders. Was zeigt, wie sehr (psychologische) Tests und Auswahlverfahren doch zu hinterfragen sind … Mehrfach poppt das Thema auf, etwa mit konkreten Modellen S. 310ff., als Kombi antiker und modernder Systeme.
Shikata ga nai
… wird zum geflügelten Wort, übersetzbar etwa mit „es ist, wie es ist“. Im Sinne von „nimm hin, wie die Gegebenheiten sind – und mache das Beste daraus“. So sind das gut 800 Seiten Auf und Ab, in unterschiedlichen Perspektiven tragender Personen, die dann jeweils eines der großen Kapitel „darstellen“. Interessant auch, dass spätere Blickwinkel tatsächlich auch dem Leser neue Sichtweisen präsentieren: Subjektiv oder objektiv?! Spannend zu lesen, nachdenklich machend. Und gefolgt von „Grüner Mars“ und „Blauer Mars“, alle auch schon auf Deutsch erschienen. Darin entwickelt sich die Gesellschaft auf dem Mars weiter, mit vielerlei Auseinandersetzungen: Zwischen Gruppen, etwa pro Terra- und Areaforming, grün statt rot?! Sanfter ökonomisch-ökologischer (R)Evolution versus wiederholter gewaltsamer Umstürze (Geschenke, bei denen beide Tausch-Partner möglichst viel verlieren – siehe S. 424ff.). Pro Erde und pro Unabhängigkeit. Metanationale Konstrukte von Unternehmen und Staaten mit- und gegeneinander. Auch die ersten Hundert entwickeln sich immer weiter auseinander – so sie noch leben: Im zweiten Band wird das erste Jahrhundert Marssiedler erreicht, mit bereits mehreren Generationen dort Geborener – Marsjahr 50 … Und während auf der Erde alles drunter und drüber geht, weil die Meere rascher und höher steigen als gedacht (S. 803ff., Auslöser für die Mars-Revolution), unternehmen die Marsianer alles, sich zu einen und unabhängig zu werden, gegen die Metanationalen „dort unten“ zu bestehen (S. 130: LZI statt BNP: Landeszukunftsindex): Ziel ist eine erneute Revolution, geplanter als die von 2061 – und damit mit besseren Chancen. Inzwischen entwickeln sich Pflanzen und Atmosphäre schon deutlich weiter (wobei zuviel CO2 ein Leben außerhalb der Kuppeln für Mensch & Tier noch verhindern, S. 266f. z.B.), heimlich gepusht von Aktiven wie Ann, Sax & Co., aus den ersten Hundert – soweit sie noch leben … Und sich erinnern können, inzwischen 120, bald 130 und 140 Jahre alt, nach mehreren Behandlungen – doch spielt das Gehirn bei all dem mit (S. 372ff.)?! Und welche Zukunft ist gewollt? Dafür gibt es lang andauernde Konferenz mit Zwischenzielen, moderiert von – Schweizern, wer hätte das gedacht … (S. 514ff., 7 Programmpunkte als Ergebnis S. 558ff.) Und schließlich sind die ersten draußen, gezwungener Maßen, mithilfe von Masken, die das CO2 filtern (S. 870ff.). Ob das alles realistisch ist, als Szenario? Dazu die Übersetzerin Elisabeth Bösl im Anhang „Der Mars – eine zweite Erde?“ Ja ist die Antwort … And on weg go! HPR