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Reisende Helden

Autor Robin Lane Fox
Verlag sonstige
ISBN 978-3-608-94696-3

Einen neuen, veränderten Blick auf „Die Anfänge der griechischen Kultur im homerischen Zeitalter“ wagt der Autor und eckt damit bei der klassischen Geschichtswissenschaft an. Diese Sichtweisen entwickelt der Fachautor (selbst Althistoriker) durch den Abgleich der griechischen Mythologie mit archäologischen Funden, was ihn zu innovativen Interpretationen führt. Dabei bleibt er auf mehr als 500 Seiten unterhaltsam, eben weil er geschickt Geschichten erzählt und damit/dabei Geschichte vermittelt – schon wieder poetisch wie die Mythen, auf die er sich bezieht! Eine zusammenfassende Vorschau kann Appetit anregen, mit des Autors eigenen Worten (S. 15):

„Die reisenden Helden dieses Buches sind ganz bestimmte Griechen in einer ganz bestimmten Phase der antiken Welt, die mit mythischen Geschichten von Göttern und Helden in ihrem geistigen Gepäck unterwegs waren. Das Buch handelt von Entdeckungen und Kontakt mit dem Fremden, von kreativem Missverstehen und brillant-unorthodoxem Denken, das unterfüttert ist mit den großen Meisterwerken: den Epen  Homers und der fast zeitgleich entstandenen Dichtung Hesiods. Es zielt darauf, deren Publikum, Quellen und Bezüge in ein neues Licht zu setzen.“ Womit Fox schlicht versucht, was für spätere Jahrhunderte Usus ist, erst recht für die Neuzeit: Geschriebene Texte jeweils in ihren Kontext zu stellen. Das geht für die damalige Zeit und deren (meist indirekt) überlieferte Gedanken schlicht nur mithilfe der Archäologie … Weiter der Autor:

„Außerdem glaube ich, für das 8. Jahrhundert eine spezifische Weise des Denkens ausgemacht zu haben, die sich von Israel bis Sizilien bemerkbar macht. Vor allem die Griechen zeichnen sich durch diese Denkungsart aus – die ersten, bislang unerkannten Vertreter in einer Linie, die ich auch durch ihre späteren Erben, den Geschichtsschreiber Herodot oder Alexander und seine Soldaten – die ständigen Begleiter meines Geistes – erhellen werde. – Die zentralen Gedanken dieses Buches haben mich auf meinen Reisen zu fast allen Orten, die darin vorkommen, begleitet. Während ich nachdachte, reiste und schrieb, wurden die Zusammenhänge zwischen meinen Schwerpunkten immer klarer …“. Das bedeutet, Fox hat die Original-Schauplätze, die er zu identifizieren meinte, auf sich wirken lassen und diese Wirkung wiederum auf die Prosa wirken lassen!

Fox hat eine erfreulich lockere Schreibe, die (siehe oben) das Unterhaltende an diesem dicken Wälzer verstärkt – sogar durchaus mal flapsig, was tatsächlich ein Sachbuch hat entstehen lassen, mit Anklängen von „Dokufiktion“, jedenfalls von der Verständlichkeit her deutlich diesseits eines Fachbuchs. Dabei bezieht er sich regelmäßig auf nachweisliche Erkenntnisse der Archäologie und nimmt Bezug eben auch auf andere Meinungen, um sie zu diskutieren. Als Leser fühle ich mich an die Hand genommen und geleitet, doch weit davon entfernt, bevormundet zu werden. Ich bin überzeugt, auch Fachleute profitieren von diesem Werk. Und erst recht Reisende in jene Gegenden, über die und von denen Fox exzellent zu erzählen weiß: Eine Reise in der Gegenwart, ergänzt mit einer – in die Vergangenheit …

Hanspeter Reiter