Skip to main content

Rausch der Jahre

Autor Walburga Hülk
Verlag HoCa
ISBN 978-3-455-00637-7

Walburga Hülk-Althoff, Professorin für romanische Literaturen an der Universität Siegen, erfreut den Leser mit einem bunten Repertoire an Informationen, Meinungen und Erläuterungen zu 20 Jahren in Frankreich und sorgt durch den Faktenreichtum, den Wechsel zwischen großer nationaler und internationaler Politik, Kulturleben sowie Tratsch und Klatsch und dank ihrer flüssigen, formulierungsreichen Sprache dafür, dass der Leser von ihrer Begeisterung mitgerissen wird und von dem „Rausch“ gleichsam selbst außer Atem gerät.

Bonaparte baut Paris
Das Paris der Moderne verdankt sich einer bisher wenig bedachten und dennoch für Paris und Frankreich bis in die Gegenwart prägende Figur: Louis Napoleon Bonaparte, Neffe des ersten Kaisers, der sich 1851 an die Macht putscht. Die Darstellung umfasst die Jahre seines Wirkens von 1850 bis 1870. Dank der profunden Kenntnis der Autorin und Ihrer literarischen Ader wird der Leser über all jene historische Fakten informiert, die innerhalb der 20-jährigen Zeitspanne durch den regen, spontanen, machtbewussten, imperial und zugleich durchaus sozialpolitisch engagierten Kaiser durch Frankreich angestoßen, entwickelt, verfolgt werden. Das gilt innerhalb Frankreichs und hier ganz besonders Paris, begonnen mit der infrastrukturellen Umwälzung und architektonischen Neubegründung (durch Haussmann) in einem Atem raubenden Tempo. Die Autorin belässt es aber nicht bei der Schilderung von Prunk, Umwälzungen, Not, Sicherheits- und Notstandsgesetzen, dem Nebeneinander großer Freiheiten und Zensur, Kriegen, der Skizzierung geopolitischer, kolonialer Ambitionen, außenpolitischer Charmeoffensiven, sondern webt Schicksale und Aktivitäten bekannter Literaten, Künstler aus Literatur, Malerei, Theater, Operette ein. Hervorgehoben werden insbesondere Victor Hugo, Flaubert, George Sand, Balzac, Baudelaire, Brüder Goncourt.

Paris und Politik? Paris en culture!
Das Verweben von Politik und Kultur verdankt sich dem Ziel von Walburga Hülk, zu zeigen, inwiefern Paris bzw. das Frankreich des zweiten Kaiserreichs die Moderne erfand. Denn diese zeigt sich sowohl in Eisenbahnnetzen, Häfenausbau, Fabriken, überhaupt typischen Phänomenen von Industrialisierung und Internationalisierung von Wirtschaft als auch in Kunst und Literatur sowie im Boulevardleben, in denen auf das „Immer weiter, immer schneller“, den Fortschrittsglauben und das enorme Tempo, ihn zu verwirklichen, ganz unterschiedlich reagiert wird. Ein Lesevergnügen für all jene mit Interesse an historischen Entwicklungen und Wechselwirkungen zwischen Politik, Gesellschafts- und Kunstleben, und für jene, die diese Entwicklungen exemplarisch ausgemalt haben möchten anhand konkreter Personen und Gruppen, einschließlich Tratsch und Klatsch. Das Buch ermöglicht nicht zuletzt, dank der lebendigen Schilderungen, dem einen und anderen Bezug zur Gegenwart ein Gespür dafür zu bekommen, wie es kommen und ausschauen kann, wenn Gegensätzliches in einer turbulenten Zeit parallel entsteht. HPR www.dr-mahlmann.de www.gabal.de

Regina Mahlmann