Philosophie einer humanen Bildung
Autor | Nida-Rümelin, Julian |
Verlag | Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2013 |
ISBN | 978 3 89684 096 7 |
Das Büchlein, ein philosophischer Essay, reiht sich ein in philosophische und theoretische Stellungnahmen, was Bildung in demokratisch verfassten Staaten heißen sollte und wie sie in ihren Grundkonturen ausgerichtet sein soll. Martha Nussbaum als Philosophin, Roland Murgerauer als Bildungstheoretiker und –praktiker und Gerhard Roth, Neurowissenschaftler und Philosoph, haben dazu in den letzten beiden Jahren Lesenswertes geschrieben. Julian Nida-Rümelin versucht sich an einer normativen Anthropologie als Grundlage einer humanen Bildung.
Der Autor wendet sich mit seinen Überlegungen offenkundig nicht an Philosophen (diese würden unter anderem Anstoß nehmen an einer zu unscharfen Begrifflichkeit, zu geringen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Anthropologie und Kulturphilosophie, scharfsinnig etwa Wolfgang Welsch, an argumentative Unstimmigkeiten).
Der Autor wendet sich „an alle, die mit Bildung zu tun haben und die bei den aktuellen Bildungsreformen eine überzeugende kulturelle Leitidee vermissen“ (S. 7). Exakt um diese geht es – und vielleicht ist die Ambition, diese unter dem Diktat des Praktischen stehenden Personen zu erreichen, der Grund für den durchaus flüssig lesbaren Stil des Schreibens, allerdings auch für gedankliche Unschärfen, unbegründete Urteile und Thesen, unerläuterte, jedoch für die Argumentation zentrale Begrifflichkeiten. Das ist schade. Zwar könnte Julian Nida-Rümelin darauf verweisen, dass er in anderen Schriften dies getan habe – seine Verweise sind indes zahlreich, sodass Parallellektüren nötig wären. Angesichts manch redundanter Formulierung eher schlichter Sachverhalte oder der Betonung der Meinung des Autors wäre dem intellektuell interessierten Leser hier dienlicher gewesen, zumindest in einem Satz eine Erläuterung jenes Gedankens, Begriffs, Konnexes zu erhalten, auf den der Autor lediglich mit einem Buchverweis antwortet.
Dennoch: Die Absicht, für eine leitende Idee einer „humanen Bildung“ zu sorgen, die als Referenzrahmen für Bildungspraxis dient, ist lesenswert. Das „humane“ Momentum wird exponiert, auch als neu bezeichnet, weil der Autor sowohl Anleihen beim Humanismus eines von Humboldt macht als auch beim Pragmatismus eine J. Dewy.
Um interessiert zu folgen, muss der Leser den Meinungen, Wertungen, Haltungen des Autors nicht zustimmen, beispielsweise, inwiefern das „oberste Ziel“ einer „humanen Bildung“ in der „Persönlichkeitsbildung“ liegt, die ihrerseits Bildungsinhalte in „unerhebliche“ und „erhebliche“ trennt. Oder inwiefern es vertretbar und/ oder realisierbar, inwiefern es zunächst einmal überhaupt möglich und sinnvoll ist, eine „humane Bildungspraxis“ zu postulieren, die weder selektiert noch parzelliert (z.B. S. 244).
Der Gewinn der Lektüre liegt – wenn man sich nicht einfach anschließen möchte, weil es so schön klingt – darin, sich selbst für die Relevanz einer Bildungspraxis leitenden Idee zu erwärmen, zu sensibilisieren und das intellektuelle Engagement des Lesens, Mit-, Nachdenkens anreichert: mit Fragen, die sich auf Bedingungen der Möglichkeit von Bildung in außereuropäischen, nicht-westlichen Ländern und Kulturen beziehen.