Ottos Spur
Autor | Bernd Wegner |
Verlag | Labonde |
ISBN | 978-3-937-50779-8 |
„Streifzüge durch die Kulturgeschichte Finnlands im ‚goldenen Zeitalter’“ liefert diese Biografie eines Verwandten, die der Autor ausführlich recherchiert hat. Fokus die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert mit vielerlei Entwicklungen und Umschwüngen für die finnische (Noch-nicht-)Nation …
Finnland = Vorbild?!
Häufig werden eben finnischen Studien zitiert, wenn es um Bildung geht, PISA & Co. Die Basis dafür wurde allerdings erst vor gut 150 Jahren geschaffen – zugleich ein Katapult für die weitere Entwicklung des großen Landes mit der kleinen Bevölkerung: „Wie war es möglich, dass sich eines der rückständigsten Länder Europas noch vor dem Ersten Weltkrieg binnen zweier Generationen zur modernsten Demokratie des Kontinents entwickelte? … Antwort: Durch Bildung!“ Wovon früh auch Otto Tuomi profitierte (wie auch sein Bruder), geboren noch als Otto Häggblom (später schlicht ins Finnische übersetzt = Vogelkirsche). „Indem der Verfasser anhand privater Überlieferungen das Leben eines weitestgehend
unbekannten finnischen Journalisten, Schriftstellers und Politikers im ausgehenden
19. Jahrhundert nachzeichnet, entwirft er das Porträt einer Gesellschaft, die sich als
eigenständige Nation entdeckt und mittels ihrer Kultur von schwedischer und russischer
Vorherrschaft befreit.“ Dabei stellt er vielerlei Bezüge her, sei es zu Journalisten und Literaten, sei es zu Gesellschaft und Politik (und Wirtschaft) generell, etwa die Übernahme durch Russland (nach vorher Jahrhunderten unter schwedischer Herrschaft). Das spätere Unabhängigwerden deutet sich bereits an, wenn sich Jungfinnen wie Konservative gegen Willkür des fernen Zaren wenden …
Finno-ugrisch
…ist der Ursprung der eigenen Sprache (neben Samisch, auch in Schweden und Norwegen – entfernt(er) verwandt) und völlig anders als die Varianten des Germanischen (Dänisch, Schwedisch, Norwegisch). Das eine oder andere daraus habe ich gerne erinnernd (wieder) gelesen, mich an mein Studium der Finnougristik erinnernd, in einem anderen Leben an der LMU München… Wer sich ein wenig für finnische Kultur und Historie interessiert, findet hier quasi alles auf gut 200 Seiten vereint: Kalevala (S. 34ff.), Besinnen auf die eigene (Mehrheits-)Sprache (z.B. S. 65f.), Finnlands Presse (seit 1771) mit zeitweise von Tuomi geleiteter „eigener Zeitung“ des Vorfahren (S. 74ff.), vielerlei Zitate aus seinen Aufzeichnungen wie auch von bekannteren Autoren (etwa Juhani Aho zur Eisenbahn, S. 85f.), die Rolle der Frau – etwa Minna Canth mit ihrem Salon (S. 110ff. – siehe auch vergleichsweise frühes Frauen-Wahlrecht!), Helsinki mit rasantem Wachstum zum neuen Zentrum des Landes (etwa Kultur S. 154f.), einiges an Zahlen-Material (auch rund um wieder kehrende Hungersnöte): bestens recherchiert! Auch um Alkohol-Missbrauch, Depressionen (lange Winter!) und Sauna-Leben geht es natürlich. Und immer wieder zum Kern zurück kommend: Ottos wieder kehrende (meist vergebliche) Versuche als Autor und Journalist (S. 133ff. etwa), seine Frauen und Familien (S. 176ff. etc.) – und im Nachwort (S. 181ff.) resümierend: „…dass sich Ottos Leben auf zwei ganz unterschiedliche Weisen interpretieren lässt. Für sich allein betrachtet, aus individual-biographischer Sicht, mag es uns nur sehr bedingt als geglückt erscheinen… In einem weiteren kulturgeschichtlichen Zusammenhang … erscheint Otto Tuomi charakteristisch für eine Generation, die erstmals in der finnischen Geschichte in ihrer Mehrheit auf eine materiell gesicherte Existenz hoffen durfte.., aus der ein finnischsprachiges Bürgertum von nennenswerter Breit überhaupt erst erwuchs.“ Dargestellt eben am Leben und Streben eines Mannes, das ziemlich gut belegt ist … HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de