Obliquity
Autor | John Kay |
Verlag | sonstige |
Seiten | 220 Seiten |
ISBN | 978 3 423 24830 3 |
Preis | 14,90 |
Der Autor, ehemals Professor für Management in Oxford und Leiter einer Unternehmensberatung, plädiert dafür, „unsere Ansichten über Entscheidungsfindung und Problemlösung (zu) überdenken“, indem wir „anerkennen, dass Umweg ebenso allgegenwärtig wie unumgänglich sind.“ (12)
Unterfüttert mit historischen Beispielen und exemplarischen Umwegen, die Menschen in Gesellschaft und Wirtschaft (Unternehmen) gegangen sind, plausibilisiert John Kay, dass Umwege zum Ziel führen. Dabei sind uns Umwege nicht immer bewusst, teilweise aber durchaus taktische Entscheidungen.
Umweg – der Begriff kennzeichnet einen „indirekten Ansatz“, um Ziele zu erreichen. Das Indirekte wiederum zeigt als „die schrittweise Anpassung von althergebrachten und gängigen Konzepten und Vorgehensweisen“ (15). Indirekte Vorgehensweisen „berücksichtigen, dass komplexe Absichten oft ungenau definiert sind und zahlreiche Elemente beinhalten, die nicht oder nicht klar ersichtlich miteinander kompatibel sind. Wir nähern uns dem eigentlichen Wesen der Absichten und den Mitteln, um sie zu erreichen, über Versuch und Erfahrung. Oft führen indirekte Ansätze zunächst einen Schritt zurück, um voranzukommen.“ (14) Theoretisch kommt diese Strategie dem „muddling through“ insofern nahe, als indirekte Zielverfolgung iterativ und daher adaptiv erfolgt.
Grosso modo kann man das Plädoyer als eine Antwort auf nicht durchschaubare Komplexität betrachten. Die indirekte Zielverfolgung illustriert John Kay im ersten Teil entlang von Beispielen aus Privat- und Berufsleben, in denen „Leidenschaft“, Emotionen also, und Motive besondere Bedeutung haben, und zwar bereits bei Wahl direkte oder indirekte Absichtsverfolgung. Im zweiten Teil skizziert er einige Faktoren und Kontexte, in denen der indirekte Ansatz dem direkten im Vorteil ist: Immer dann, wenn wir ein Geschehen oder System nicht durchschauen und präzise steuern können, empfiehlt sich das indirekte Vorgehen. Hier geht er auf Wechselwirkungen und Mechanismen von Wahrnehmung, Erwartung und Handlungsfolgen sowie dem Halo-Effekt ein – sozusagen Komplexitätstheorie light. Der dritte Teil baut insofern auf dem zweiten auf, als zwei Aspekte hervorgehoben werden, die im menschlichen Miteinander, ob privat oder beruflich, immer eine Rolle spielen: Probleme lösen und Entscheidungen finden.
Das Buch ist voller Geschichten, Beispiele, Anekdoten, und auch da, wo der Autor auf wissenschaftliche Belege rekurriert, leicht lesbar. Etwas mehr theoretische Fundierung aus dem Fundus dieses kompetenten Mannes hätte den Ausführungen mehr Gehalt gegeben und die Möglichkeit eingeräumt, Gedankengänge besser nachvollziehen, begründen, plausibilisieren zu können. Kontroverse Auseinandersetzung mit einigen Darstellungen bleibt daher vorzugsweise jenen Lesern vorbehalten, die sich mit der Thematik des vernetzten Denkens und Kategorien im Umgang mit Komplexität bereits etwas auskennen. Der Fundus an historischen und aktuellen Bezügen ist in jedem Fall eine Bereicherung.
Jene, die sich noch als „Einsteiger“ betrachten, werden die Schlichtheit und Klarheit der Ausführungen genießen. Zum Beispiel hier: „Wenn es um komplexe Systeme geht, die in ein unwägbares Umfeld eingebettet sind, und wenn die Wirkung unserer Handlungen davon abhängt, wie andere reagieren, ist Obliquity der beste Weg.“ Im Gegensatz zu Kontexten, in denen Gradlinigkeit angemessen ist: in stabilen Umfeldern, bei eindimensionalen Absichten und der Vorhersehbarkeit und Prüfbarkeit von Zielerreichung (199).
Lesenswert ist das Buch allemal. Es führt in Kategorien von Komplexität ein, ohne theoretisch-systematisch zu sein, sondern – sozusagen auf leisen Sohlen – mittels die Kernthesen illustrierende Beispiele und Referenzen und klaren Stellungnahmen des Autors.
Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de