Moral und Methode
Autor | Richard M. Meyer |
Verlag | Wallstein |
ISBN | 978-3-8353-1545-7 |
„Essays, Vorträge und Aphorismen“ des berühmten Germanisten sind hier versammelt – und dazu ein hoch interessanter Einführungs-Artikel von Hg. Nils Fiebig „Meyer – ein jüdischer Germanist des Wilhelmismus“. Damit ist bereits viel gesagt: Schon/noch/wieder um die vorige Jahrhundert-Wende war es einem exzellenten Wissenschaftler versagt, sich und seine Expertise in Forschung und Lehre einzubringen, weil er – Jude war … Umso erfreulicher, dass interessierter Leser nun Zugang erhält zu bislang verschüttetem Material, das zugleich Einblick in die zeitgenössische Wissenschaft ermöglicht, siehe den ausführlichen Einleitungs-Artikel (S. 11-57). Erschienen ist der Band zum 100. Todestag (2014), bereits vorher waren (zum 150. Geburtstag) zwei Bände mit Briefwechseln und einer Biografie erschienen. Dies zusammen fassend (Rücktitel): „»Aus der Liebe zu Sprache und Poesie ist die Philologie erwachsen und ohne sie verdorrt sie, wo noch so viele Quellen fließen.« In zahlreichen philologischen Aphorismen wie diesem brachte Richard M. Meyer (1860-1914) die große Leidenschaft seines Lebens zum Ausdruck – die Literaturwissenschaft als »eine lange Liebe zur Dichtkunst«. Nils Fiebig legt hier eine Quellensammlung vor, die das breitgefächerte Themenspektrum aufzeigt, aus dem sich die »lange Liebe« des Berliner Germanisten nährte: Abhandlungen über Gerhart Hauptmann, »Goethe in Venedig« und »Nietzsches Zarathustra« – für Meyer »das größte und im gewissen Sinne das einzige wahre Epos, das in der neuen Zeit entstand«. Beiträge »Über den Begriff der Individualität«, »Über das Verständnis von Kunstwerken« und Meyers philologische Aphorismen ergänzen die Themenpalette der Edition.“ Je nach Interessenlage findet LeserIn den einen oder den anderen Artikel lesenswerter. Für mich waren es u.a. diese: „Zur Terminologie der Reklame“ über Namensgebung von Produkten (linguistischer Blickwinkel, S. 155ff.) und „Struwwelpeter“ (S. 161ff.), wo es ihm um Erziehungsfragen geht, im Grunde anhand früher Formen von Comics diskutiert (siehe auch Max und Moritz!). Oder die „Philologischen Aphorismen“ (S. 245ff.), 122 an der Zahl, darunter (S. 246, 15.): „Schriftsprache nennen wir denjenigen Dialekt, der überall – und nirgends gesprochen wird.“ Macht nachdenklich, denn ein wenig Dialekt oder Akzent schafft Authentizität … oder (14.) „Worte sind Abstraktionen, Sätze sind Realitäten“ oder noch treffender eigentlich: bilden erst Realitäten (ab), weil sie Worte in einen Kontext setzen … Interessant für Weiterbildner auch wegen des Diskurses, der in den Aufsätzen mitschwingt: Kommunikation kann so gehen – oder anders … Will sagen, Anfeindungen auf selber Ebene begegnen (wie es hinein tönt…) oder mit Distanz versachlicht. Sehr zu empfehlen, für vielerlei Gewinn. HPR