Ländliches Requiem
Autor | Davide Longo |
Verlag | Rowohlt |
ISBN | 978-3-498-00733-1 |
„Ein atmosphärischer Kriminalroman, der uns ins Italien der 80er Jahre entführt.“ Nämlich nach Turin & rundum, so gesehen gar ein Lokalkrimi, mit mehr als 500 Seiten.
Ein quertreibendes Duo
…hat sich der Autor da einfallen lassen, beide mit ihren Geheimnissen: Die kennen Leser der Serie wahrscheinlich, anderen seien sie verschwiegen, da Spoiler-Gefahr… Und es gilt konsequent: Commissario Bramand und Ispettore Arcadipane „…gemeinsam ermitteln, wird es packend, komisch und einen Hauch philosophisch. In ihrem fünften Fall im Piemont jagen die beiden lange Zeit einer falschen Fährte hinterher, bis eine einsame Wanderung unverhoffte Erkenntnis bringt… Eric Delarue, Geschäftsführer eines Stahlwerks, wird durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Wer hat den Kunstsammler, Ehemann, Chef, der sich immer für die Belange seiner Angestellten eingesetzt hat, töten wollen? Die Spur führt Bramard und Arcadipane zu einem längst vergangenen Fall: Nach einer Sportveranstaltung verschwand ein Elfjähriger. Aber dies ist nur eine Fährte in einem komplexen Geflecht aus verbrecherischen Machenschaften.“ Das der Autor in beeindruckender Weise ineinander verwoben hat und in mehreren Anläufen die Ermittler scheinbar entwirren lässt. Wobei das im Grunde „nur“ die Rahmenhandlung ist: Schließlich geht es um Denken und Handeln von Bramard und Arcadipane und deren komplizenhaftes Umschiffen jeglicher Vorgesetzten-Autorität. Was ihnen auch deshalb gelingt, weil sie ein treues Team haben: „Deshalb hat er ihn in seinem Team gewollt, wie er aus anderen Gründen Arcadipane, Pedrelli und niemanden sonst gewollt hat. Ein Rudel Hunde verschiedener Rassen…“. Das geht so weit, dass der Ispettore verzweifelt die Versuche seines Mitarbeiters abzuwehren versucht, ihn zum Taufpaten seines demnächst erwarteten Sohnes zu machen – um schließlich jeglichen Widerstand aufzugeben.
Wortspiele(reien)
…und Metaphern vielerlei Art tragen dazu bei, dass dieser doch ziemlich lange Erzähltext immer kurzweilig bleibt, zum Schmunzeln (oder gar Lachen!) verführt und so andauernd unterhaltsam ist: „Er geht … über ein vernachlässigtes Stück Land, auf dem zwei alte rostige Traktoren und eine neue knallrote Egge stehen. Wie ein Kind mit zwei Eltern, die zu alt und zu erschöpft sind, um dafür zu sorgen, dass es seinen Spaß hat“ (S. 376). Doch auch über sehr spezielles Verhalten ist manches zu erfahren, etwa von einer Escort über Freier der anderen Art (S. 168), natürlich über grenzwertige, gar Grenzen überschreitende Gelüste (z.B. S. 206f. etc.), den Zusammenhang von Schrift und Innenleben (Grafologin, S. 314f. usw.) – und erst recht über das Innenleben des Ermittlers: „Bramard richtet sich auf uns sieht sich um. Er weiß, dass er das, was in den nächsten Sekunden sehen wird, nie wieder in dieser Form sehen wird.“ Nämlich am Tatort, noch unberührt (S. 292), was mich u.a. an Kommissar Ludwig Schaller von München Mord (im TV) erinnert hat… Moment – und sagenhaft spannend natürlich! Bedingt auch durch die gelungene Schreibe, etwa einen Wechsel in der Textsorte (S. 415ff. Protokoll eines Verhörs z.B.) oder das jeweils pointierte Geschehen in relativ kurzen Kapiteln, à la Häppchen beim Lernen: 86 Kapitel für gut 500 Seiten ergeben knapp sechs Seiten je Kapitel im Schnitt. So ist die Leserschaft immer konzentriert auf einen Gedanken im Ablauf dabei, plus ein rascher Wechsel der Perspektive und damit im weiteren Ablauf der Story ist möglich… Und dann der Cliffhanger, obwohl die Geschichte wie der Abschluss daherkommt, dieser beiden seltsamen Gestalten (S. 524ff.) – es soll wohl doch weitergehen… Darauf mag die Leserschaft sich freuen!! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de