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Kopf schlägt Kapital

Autor Günter Faltin
Verlag dtv
ISBN 978-3-423-34757-0

„Die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen – Von der Lust, ein Entrepreneur zu sein“ so untertitelt das Buch gleich doppelt. Und mindestens doppelt ist auch der Autor zu haben: Einmal als Professor an der FU Berlin – und zum Anderen selbst als Unternehmer, mit diversen Gründungen, häufig mit Studierenden. Das gelungenste Objekt offenbar: Die Teekampagne. Erfolgszrezepte u.a.: Konzentration aufs Wesentliche = hier: 1 Tee, nämlich Darjeeling – und: die einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette dort „belassen“, wo Know-how und Expertise sind statt Funktionen zu zentralisieren. Die Folge (S. 10): viel geringere Kosten, dadurch Preis- und Qualitätsführerschaft möglich (Zwischenhandel entfällt = Direkteinkauf, nur Großpackungen, Verkauf per Mailorder und Internet). „Die Teekampagne hatte noch zwei andere Aspekte in ihr Konzept eingebaut: Chemierückstände in Lebensmitteln werden Mitte der 80-er Jahre erstmals zum Thema ..; auch der Umgang der reichen Industrieländer mit den Erzeugern in der Dritten Welt.“ (S. 11f.) Und wie geht Faltin vor, wenn er sich auf eine der vielen neuen Gründungsideen einlässt, die an ihn heran getragen werden, und sei es, aus dem Kreis seiner Studierenden? „Ich setze an der Anfangsidee an und befrage den Gründer: Warum wollen Sie ein Restaurant betreiben? Weil Sie gerne mit Menschen zusammen sind? Weil Sie gerne kochen? Weil Sie gerne Geschäftsinhaber sein wollen? Weil Sie mit Ägypten angenehme Vorstellungen verbinden? Weil Sie von Oberägypten fasziniert sind? … Je nachdem, wie er antwortet, frage ich in dem entsprechenden Strang weiter … Es geht mir also darum, herauszufinden, was den Gründer wirklich bewegt .. Energiefaden des Betreffenden …“ (S. 138) „Verlangt Entrepreneurship also außergewöhnliche, ganz besonders kreative Menschen? Nein … Kreativität ist kein mystisches, gottgegebenes Talent, sondern eine systematisch steuerbare und erlernbare Kompetenz.“ (S. 141) Dazu lieft der Autor „Sieben Techniken zur Ausarbeitung eines Entrepreneurial Design“ (S. 142ff.), wie sie durchaus in diversen Modellen bereits vorhanden sind, in ureigener Komposition: Potenzial in Vorhandenem entdecken – Funktion statt Konvention – Vorhandenes neu kombinieren – Mehr als nur eine Funktion erfüllen – Probleme als Chancen verstehen [siehe Prof. Dr. Hardy Wagner, Gründer und Ehrenvorsitzender GABAL e.V.: Probleme sind Lösungen in Arbeitskleidung] – Arbeit in Spaß und Unterhaltung verwandeln – Visionen Wirklichkeit werden lassen – und lässt sich dann (S. 154ff.) auch „Über den Sinn und Unsinn von Businessplänen“ aus. Doch neben diesen strukturierten Vorgehensweisen bietet Faltin in diesem Buch vor allem eines: Geschichten – und zwar solche, die das (Wirtschafts-)Leben schrieb. So führt er dem Leser Erfolgsaspekte nahe, etwa den wandelnden Weihnachtsbaum (S. 164), der zu seinem Erfolgskonzept schmunzelnd verrät: „Ich verkaufe Kerzen – seit ich mir diese Kostümierung zugelegt habe, falle ich ganz anders auf.“ (S. 164) Und er trägt das Thema sogar in Hauptschulen hinein: „… sondern auch für das unkonventionelle Lernen der Schüler, für ihr Selbstbewusstsein und für ihren Mut, mehr als bisher „zu unternehmen“.“ (S. 186) Hat schon seinen Grund, dass mehr und mehr Unternehmen es wagen, ihren Auszubildenden Verantwortung für Bereiche oder eigene Projekte voll zu übertragen, siehe Jägermeister, Thalia und andere … Paßt zum GABAL-Thema „aktivierende Lehr- und Lernmethoden“ wie auch zur „Schwester“ STUFEN zum Erfolg … Letztlich entscheidend: „Die Person rückt in den Mittelpunkt“ (S. 194ff.) Bis hin zur Umsetzung („Aufforderung zum Tanz“, schöne Metapher!), siehe S. 231: „Drei Schritte sind es, mit denen wir die Landschaft des Unternehmerischen radikal verändern können … Der erste …, zu erkennen, dass gute Konzepte heute wichtiger sind als Kapital. Der nächste … viel radikaler als bisher Arbeitsteilung auch auf dem Gebiet des Entrepreneurship anzuwenden … Der dritte, ein Unternehmen aus Komponenten zusammenzusetzen. Arbeitsteilung und Spezialisierung eröffnen die Möglichkeit, ein Unternehmen fast vollständig aus Komponenten zu bilden. Das neu gegründete Unternehmen arbeitet damit von Anfang an professionell, benötigt viel weniger Kapital, verringert die Risiken und ist weniger anfällig …“ Voila: Ich selbst hatte das Konzept ursprünglich in der Praxis kennen gelernt, im Zusammenhang mit dem Startup ARTcoming (vorher: ChillYArt), einem Kunstportal der etwas anderen (und ganz besonderen) Art, das ich als Gründungs-GF begleiten durfte – siehe www.artcoming.de. – HPR

Hanspeter Reiter