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Kleine Grausamkeiten

Autor Liz Nugent
Verlag Steidl
ISBN 978-3-95829-974-0

„Drei Brüder bei einer Beerdigung, einer von ihnen liegt im Sarg, betrauert von seinen Geschwistern. Aber welcher? Und warum?“ Nun, das zu erfahren, sind 400 Seiten unterhaltsam-spannender Lektüre (an)geboten  …

Familien-Zwiste
…sind kaum etwas wirklich Neues, doch hier sind sie quasi auf die Spitze getrieben! Denn Kapitel für Kapitel erlebt die Leserschaft je unterschiedliche Interpretation des Geschehenen aus der Erinnerungs-Perspektive der drei Brüder – und auch noch zeitlich unterschiedlich verschachtelt. Um schließlich final zusammen geführt zu werden… Eine der Fragen, die sich dabei auftun, ist die übers potenzielle Vererben psychischer Krankheiten, bis hin die Folge-Generation, also der Enkelin (Daisy, S. 379f.)… Und das sind sie: „Nur jeweils ein Jahr sind die Drumm-Brüder William, Brian und Luke auseinander und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. William hat als Filmproduzent Karriere gemacht und glaubt, ihm stehe einfach alles zu, Brian, der mittlere Bruder, Lehrer und Künstleragent betätigt sich als wenig selbstloser Friedensstifter, Luke, psychisch instabiles Nesthäkchen, ist ein international gefeierter, sehr einsamer Popstar. Aber keiner von ihnen ist der, der er zu sein scheint. Vom Tag ihrer Geburt an hat ihre narzisstische, ziemlich abgefeimte Mutter die Brüder darauf abgerichtet, um ihre Aufmerksamkeit zu buhlen. Sie spielen Spielchen, doch im Laufe der Jahre werden diese Spiele – die kleinen Grausamkeiten – immer unheimlicher, gnadenloser und gefährlicher. Toxisch geradezu, denn nur zwei der Brüder werden überleben.“ Während William und Brian ziemlich stabil erscheinen, erweist sich der labile Luke zugleich als wandlungsfähig (S. 230f. etc.). Dabei spielen dramatische Ereignisse im argen Elternhaus eine durchaus traumatische Rolle (S. 269f. usw.). Und letztlich ist manches dann doch anders, als es vorher scheint  …

Die Autorin
…war mir erst kürzlich aufgefallen, obwohl sie seit vielen Jahren erfolgreich schreibt, auch Krimis  – und von mir nun „schon“ zum zweiten Mal hier rezensiert, nach „Die seltsame Sally Diamond“. Zu empfehlen ist das abschließende Kapitel „Danksagung“ (S. 395ff.). Eher zufällig konnte ich zudem Verlag (u.a. mit dem Günter-Grass-Archiv) und die zuständige Lektorin kürzlich vor Ort und persönlich kennenlernen, im Rahmen einer Netzwerk-Reise nach Göttingen (Dürkheimer Kreis leider letztmalig….): Claudia Glenewinkel erzählte eindrücklich mehr darüber bei der Verlags-Begehung. Denn dort finden seit Jahren mehr und mehr Autoren aus Irland eine „deutsche Heimat“ – mehr siehe hier: https://steidl.de/SRP-0611314849.html?s=irland&chunk=1 Zum Verlag mit starkem Profil bibliophiler Ausstattung passt natürlich die Leinen-Optik plus Lesebändchen. Und auch, dass tatsächlich der Original-Titel schlicht übertragen worden ist: ‚“Our little cruelties“. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter