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Kalte Seelen

Autor Christine Brand
Verlag Atlantis
ISBN 978-3-7152-5006-9

„Ein Fall für Milla Nova“ ist hier auf bald 400 Seiten entwickelt, einer ermittelnden Journalistin, quasi das Alter Ego der Autorin… Verwoben mit einem bedauerlichen Thema unserer Zeit: Rechtsextremismus… Darüber erfährt Leser peu-a-peu eine Menge, u.a. S. 163ff. etc.

Ein schweizerischer Lokalkrimi
…und doch weit mehr als das, wenn auch als solcher exzellent, angesiedelt in Zürich und (vor allem) Bern: „TV-Journalistin Milla Nova lässt sich für eine Reportage eine Woche lang ins Frauengefängnis Hindelbank im Emmental einsperren. Hinter Gittern hört sie tragische Lebensgeschichten, wie die von Flor, die wegen Mordes angeklagt ist, aber ihre Unschuld beteuert, oder Gerüchte, wie die über namenlose Immigranten, die als Sans-Papiers in der Schweiz ein Schattenleben führten und spurlos verschwanden. Und sie hört von anonymen Leichen, die die Kantonspolizei Bern aus dem kalten Thunersee geborgen hat und bis heute nicht identifizieren konnte. Die Taten eines Rechtsextremisten? Milla Nova beginnt zu recherchieren und wird mit einer grausamen Wahrheit konfrontiert. Was hat all das mit ihrem Vater zu tun, den sie nie kennengelernt hat? Plötzlich blickt die kühne TV-Reporterin in die Abgründe ihrer eigenen Vergangenheit – und gerät selbst unter Verdacht.“ Oder wie der Rücktitel lautet „Aus der Jägerin wird eine Gejagte“. Überraschend dann der Plot, wenn für die Leserschaft nach und nach angedeutet…

Charaktere
…werden intensiv erlebbar, das zudem in Schweizerdeutsch, also diversen regionalen Grammatik-Anklängen, wodurch der Text für mich gleich „vertraut“ „klang“ (Vorsicht, Schwyzerdytsch wäre was anderes  …). Noch dazu, weil ich einen Tag später den Zürich-Tatort gesehen (und gehört) habe… Wie die NZZ schreibt: „Ähnlich wie der schwedische Autor Arne Dahl liefert Christine Brand ein hautnahes Psychogramm eines namenlosen Serienmörders.“ Weil in kurzen Kapiteln quasi parallel mal er, mal andere Täter, mal Milla Nova wie auch ihr Polizisten-Freund Sandro Bandini im Mittelpunkt des Geschehens stehen, ihre Sicht der Dinge erzählt wird. Wie auch die von Lisa Kunz, der Leiterin der Abteilung „Leib und Leben“, wo es um Mord geht – die u.a. mit Mindmap visuell Fälle aufarbeitet (S. 116f. etc.). Und für eine Chefin überraschend, schon mal über die Stränge schlägt, wie auch Nova und Bandini. Historisches kommt ins Spiel, etwa die eher seltene Tötungsart des Kopfüber-Aufhängens, übel (S. 144f. etc.). – Der Buchtitel ist feinsinnig mehrdeutig, bezogen auf die Toten im See wie das quasi emotionsfreie Tun mancher Lebender… Und Zeitgenössisches dito, etwa zum (Über-)Leben der Sans-Papiers in der Schweiz (S. 174f. etc.). Nett die Unterschiede zwischen dem Verhalten von Zürichern gegenüber Bernern, siehe Rolltreppe: Hier rechts stehen vs. links gehen, dort dagegen das Verstopfen durch beiderseits Stehen – hat mich an München vs. Köln erinnert  … Unterhaltsam wie informativ, ran ans Lesen! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter