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Intelligenz

Autor Stern, Elsbeth, Aljoscha Neubauer
Verlag DVA
ISBN 978 3 421 04533 1

Die in der Lernszene bekannte Professorin für Psychologie und Leiterein des Arbeitsbereichs Lehr- und Lernforschung an ETH Zürich sowie der Grazer Professor für Psychologie und Leiter des Arbeitsbereiches Differentielle Psychologie haben ihre Schwerpunkte in diesem Buch zum Thema Intelligenzmessung zusammenlaufen lassen.

 

Das Autorenduo tritt dezidiert für mehr und bereits im Kindesalter angewandte Intelligenztests ein, um allen Lernenden gerechter werden zu können, sprich: ihnen zu ermöglichen, an das genetisch zu etwa 50% definierte Potenzial auszuschöpfen.

 

Die Kernbegründungen: Intelligenz, und zwar die Allgemeine Intelligenz, von der das Buch handelt, ist die am besten und zuverlässigsten empirisch erforschte menschliche Eigenheit, weit vor sozialen und anderen sog. Kompetenzen wie Kreativität. Außerdem ist die Korrelation zwischen Allgemeiner Intelligenz Schul-, Berufs- und „Lebenserfolg“ bis dato am gründlichsten belegt, sodass die Autoren von einem kausalen Verhältnis ausgehen. Diese Kausalität schließt genetische Disposition, Lernumfeld/ – gelegenheit ein, zu einem geringen Anteil weitere Kontextfaktoren.

 

Elsbeth Stern und Aljoscha Neubauer leiten ihr Plädoyer sowohl verständlich her als auch mit zahlreichen empirischen Studien. Die Ausführungen, Schlussfolgerungen und Forderungen basieren maßgeblich auf Ergebnissen empirischer Test- und Befragungsmethode. Genau dort kann Kritik ansetzen, die zu durchaus weniger Vertrauen in empirische Resultate Anlass gäbe. Zwar setzen sich die Autoren mit den gängigsten Kritiken durchaus auseinander, allerdings sehr einseitig, da jedes Mal der Kritik das Fundament weggezogen wird – ohne zu reflektieren, dass das eine oder andere skeptische Beäugen empirischer Intelligenzmessung durchaus auf eben diese bezogen werden könnte.

 

Wie dem auch sei: Die Autoren erläutern nachvollziehbar, inwiefern Allgemeine Intelligenz und ihre Messung überhaupt verlässlich sein können; warum welche inter- und intraindividuellen Unterschiede auftreten und wie sie zu handhaben sind; welche Beziehugn Natur und Kultur eingehen, wenn es um Allgemeine Intelligenz geht. Nebenbei zerlegen sie in angenehm sachlicher Weise die populäre Rhetorik von den vielen Intelligenzen.

 

Das Buch mündet in eine begründete Forderung: Kinder bereits in frühstem Alter und dann in sinnvollen Abschnitten bis etwa 15 Jahre testen lassen, um frühestmöglich Vorhersagen zu machen in Bezug auf eine schulische bzw. berufliche Laufbahn. Diese Art Frühestselektion ist verknüpft mit einer Struktur und Organisation von Kita, Kindergarten, Schule und verbunden mit einer breit gefächerten akademischen Bildung sowohl von Kleinkindbetreuern als auch von Lehrern, die sicher stellen, dass allen Intelligenzgraden die Möglichkeit eingeräumt wird, ihr Potenzial auszuschöpfen.

 

Ein lesenwertes Buch, das ohne Marktschreierei auskommt, sehr angenehm zu lesen ist und einen guten Einblick in Erforschung, Methoden, Leistung von Intelligenztest gibt und erste Punkte markiert, die auf der Agenda bildungs- und gesellschaftspolitischen Engagements unbedingt einen oberen Rang einnehmen sollten.

Hanspeter Reiter