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Inhalte auf den Punkt gebracht

Autor Blenk, Detlev
Verlag Beltz
Seiten 347
ISBN 978-3-407-36533-0

Storytelling gehört seit Jahren zum guten Standard des öffentlichen Vortrags (Speaking) und zum gehobenen Standard von Coaching und Training. Detlev Blenks strukturierte Geschichten-Sammlung „Inhalte auf den Punkt gebracht“ ist daher ein hochwillkommenes Instrument für eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Einsatzzwecke. Die „140 Kurzgeschichte[n] für Seminare und Trainings“ stellen einen offenen, gut gefüllten, gut organisierten Werkzeugkasten dar: Auf gut 340 Seiten steigt D. Blenk nach einer kurzen Einführung zu Herkunft und Einsatz des Storytellings direkt in die Geschichten ein. Die Geschichten sind thematisch gruppiert in acht Themenfelder mit je etwa 15 bis 20 Einträgen: Kommunikation / Teamarbeit / Führung / Verhandeln und verkaufen / Veränderung / Selbstmanagement / Zeit und Zeitmanagement / Berufliche Leidenschaft. Jede einzelne Geschichte wird ergänzt durch Notizen zu möglichen Ausgangsfragen für die Auswertung einer Geschichte im Seminar, durch praktische Gestaltungsvorschläge sowie einen Erfahrungsbericht zu der Wirkung. Das Auffinden einzelner Geschichten wird dadurch wesentlich erleichtert, dass der Sammlung ein „Quickfinder“ vorangestellt ist.

Die Sammlung überzeugt insbesondere dadurch, dass sie unmittelbar praxisorientiert und erkennbar praxisgesättigt ist: So stellen sich die Gestaltungsvorschläge als unumwundene Hands-on-Tipps dar, und in den Erfahrungsberichten zur Wirkung finden sich reihenweise wichtige Hinweise zu Potenzialen oder Stolpersteinen, die sich als solche in der Seminarpraxis gezeigt haben. Auch die Breite und Tiefe in der Zusammenstellung der Geschichten überzeugt: Sie ist als Inventar für ein schnelles Nachschlagen ebenso geeignet wie als ein Ausgangspunkt für die Entwicklung eigener Geschichten oder Geschichten-Strukturen. In diesem Sinn handelt es sich um ein Buch, das zum praktischen Einsatz, aber auch zur methodischen Reflexion des Storytellings anregt. In ihrer Bandbreite deckt die Sammlung schließlich die wichtigen Arbeitsbereiche des Trainingsmarktes ab. Nicht zuletzt handelt es sich um ein mutiges Buch: Echte Einblicke in echte Werkzeugkästen, in denen echte Werkzeuge liegen – das erhält man im Geschäft nicht allzu häufig.

Die Sammlung leistet das nicht, was sie auch nicht leisten soll: Durch die Praxisorientierung und den deutlichen Akzent auf eine umfangreiche, reflektierte, aufgeschlüsselte Sammlung sind die Hinweise zum Einsatz der Methode (Mimik, Gestik, Stimme, Zeitpunkt, …) bewusst knapp gehalten. Hierzu stehen aber auch andere Bände zur Verfügung – innerhalb und außerhalb des engen Kreises des Storytellings. In inhaltlicher Hinsicht fallen neben den vielen bildstarken und assoziationsfördernden Geschichten auch solche auf, die eine äußerst sorgfältige Einführung, Dosierung und Ausmoderation erfordern – oder im Seminar explodieren: So randaliert der Jugendliche Sven regelmäßig in einem offenen Jugendtreff und entgegnet, auf sein Verhalten angesprochen, dass er das eben am besten könne (S. 319–320). Oder ein Italiener wird von einem älteren Deutschen in einem Lokal provoziert, beleidigt und mit ausländerfeindlichen Parolen überzogen („Du bist hier nur geduldet. Du nimmst uns hier nur Arbeitsplätze weg. Packt eure Sachen und fahrt zu euren Mamas, ihr Spaghettifresser (…).“); schließlich ritzt der „Itaker“ mit einem Springmesser eine tiefe Kerbe in den Tisch und sagt: „Wir sitzen nicht an einem Tisch.“, bevor er das Lokal verlässt (S. 68–69).

Es ist nicht gesagt, dass derartige Geschichten im Seminar nicht gewinnbringend eingesetzt werden können; noch weniger ist gesagt, dass sie nicht eingesetzt werden dürfen. Der Einsatz ist jedoch mit verschiedenen und erheblichen Risiken verbunden, allen voran mit dem Risiko, dass die Seminardiskussion sich nach dem Einsatz dieser Geschichten um ganz andere als die beabsichtigten Fragen dreht. Anders gesagt: Der gewünschte Effekt wird sich häufig auch mit anderen Methoden, beispielsweise auch mit anderen Storys erreichen lassen – und dabei mit einem weitaus geringeren Risiko verbunden sein. Die Hinweise auf mögliche negative Gefühle, die durch derartige Geschichten hervorgerufen werden können, aber auch die Hinweise auf weitere mögliche Risiken (z. B. den Einstieg in eine fremdenfeindliche Diskussion) fallen sehr knapp aus.

Für den konkreten Seminareinsatz der Geschichten empfiehlt Detlev Blenk, die gesamte Sammlung durchzusehen und in einer ersten Auswahl solche Geschichten herauszusuchen, die eine persönliche Resonanz auslösen. Darüber hinaus wird es helfen, die Storys jeweils unter einer sehr prägnanten Phrase zu memorieren, damit sie in der Praxis tatsächlich jederzeit erfolgreich abrufbar sind. Hier liegt ein wesentlicher Schritt der Aufarbeitung zwangsläufig auch beim Leser. Schließlich wäre in Bezug auf die mediale Gestaltung auch eine unkonventionelle Publikationsform denkbar gewesen: Die  immerhin 140 Geschichten auf 140 übersichtliche Karteikarten drucken zu lassen, um den praktischen Seminareinsatz weiter zu erleichtern.

Besonders hervorzuheben ist schließlich der letzte thematische Abschnitt des Buches, „[B]erufliche Leidenschaft“. Einige der hier versammelten Geschichten sind mindestens ebenso wie an ein Seminarpublikum auch direkt an den trainierenden und coachenden Leser gerichtet. Vor allem in Verbindung mit den Kommentaren des Autors bieten sie eine wertvolle Ressource für die kontinuierlich notwendige Selbst- und Rollenreflexion.

Die kompakte und reichhaltige Sammlung „Inhalte auf den Punkt gebracht“ ist eine sehr vergnügliche Lektüre und ein dankenswert offener Werkzeugkasten; sie regt an zum weiteren Ausbau auch des eigenen Schatzes an Seminargeschichten und am wichtigsten: Sie macht (noch mehr) Lust auf Storytelling. Das Buch verdient daher einen Stammplatz in der Handbibliothek jedes erfahrenen Trainers und Coaches.

Simon Wolf