Ich sein – Mut zum Ich
Autor | Reni Berg |
Verlag | Verlag Ikotes, Brühl 2012 |
Diese besondere Veröffentlichung stellt ein interessantes Experiment dar, das auch weitgehend als gelungen angesehen werden kann: Roman mit Fachbuch-Charakter.
Die Autorin zeichnet sich nicht nur durch ein sehr spezielles Promotionsfach – Dr. rer. med. – aus, sondern auch durch einen vergleichsweise besonders vielseitigen Experten-Hintergrund: Diplom-Pädagogin zugleich Theater-Pädagogin, Stimm-Therapeutin, Coach und Supervisorin sowie Kommunikations-Trainerin.
Der letztere Aspekt bestimmt deutlich den fachlichen Inhalt des Romans, der den Ablauf eines 2-tägigen Kommunikations-Seminars zum Inhalt hat. Laut Umschlag-Beschreibung handelt es sich um „skurrile“ Teilnehmer, wobei der Leser eher zahlreiche mehr als weniger „normale“ Verhaltensweisen beobachten kann. Diese sehr eingehend und auch sehr differenziert beschriebenen „Typen“ markieren einen der interessanten Aspekte des Romans, der in seiner persönlichkeits-unterlegten Dramaturgie trotz des Lehrbuch-Aspektes teilweise echte Spannung erzeugen kann.
Zehn Persönlichkeiten – neun Teilnehmer und eine Trainerin, in der der analytische Leser vermutlich nicht zu Unrecht die Silhouette der Autorin vermuten dürfte – verleben zwei Tage gemeinsam, mit durchaus trotz des Seminar-Ziels heterogen Erwartungen – der Leser schmunzelt über die Detail-Darstellung der unterschiedlichen Vita, erkennt wie Persönlichkeits-Strukturen durch Umwelt-Ereignisse beeinflusst werden und wie sich die Präferenzen für Extraversion und Introversion, aber auch stärkere Sach- oder Beziehungs-Orientierung in der konkreten Kommunikation auswirken. Bereits die Einschätzung der unterschiedlichen Charakter-Typen kann einen zusätzlichen Spannungs-Aspekt bedeuten.
Der fachliche Part bietet Einblick in den Methoden-Koffer von Rhetorik, Körpersprache sowie vor allem auch wertschätzender Kommunikation.
Die diesbezüglichen, interessanten Ausführungen können für einen fachlich interessierten Leser einen Genuss darstellen, zeigen aber auch im Roman die Grenzen des Experiments auf. Wo im „Fachteil“ – je nach Interessenlage – entsprechende Hintergrund-Informationen erwartet werden könnten , fehlen diese sowie auch die ggf. erwarteten Quellen-Hinweise, wenngleich dies für einen Roman durchaus die Regel darstellt.
Der Roman-Text ist chronologisch – gemäß dem Seminar-Ablauf – gegliedert, mit jeweils eingestreuten Hintergrund-Informationen zum „Vorleben“ der Protagonisten.
Es würde den Rezensenten nicht wundern, wenn sich bei einem Leser durchaus ein Bedauern entwickelt, an diesem Seminar nicht teilgenommen zu haben.
Die Textung ist sprachlich anspruchsvoll, aber gut verständlich, wenn auch das (zu) häufige und vor allem vielfach eher unangebrachte „Grinsen“ nicht nur einen ernsthaften Leser mehr als etwas irritieren dürfte.
Ungeachtet des Verzichts auf Literatur-Hinweise, was vor allem ein fach-interessierter Leser als Mangel empfinden dürfte, kann dieser Rhetorik- und Kommunikations-Roman als gelungenes Experiment und reife Leistung der Autorin angesehen werden