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Helden der Nacht

Autor Karl Wolfgang Flender
Verlag DuMont
ISBN 978-3-8321-9860-2

„… lässt die Schicksale des Träumers [PrivateEye Bryan] und der Zynikerin [Ermittlerin Colleen] aufeinander prallen, dass es knallt“: Oha!

Ernste Handlung, ironischer Ton
Eine Kombination im Text, die das Etikett „Pop-Roman“ vertragen mag, mit dem er… nun, eben: gelabelt wird. Tatsächlich wird auch gelabert, gerade wenn der eine oder andere Beteiligte (… Betroffene) „was“ eingeworfen hat – typisch Berlin? Wobei die Namen diverser Figuren recht amerikanisch klingen, was auch so gemeint ist. Bis hin zu verballhornten Hardcore-/Noir-Detektiven, siehe: Mahlow  … New York kommt eh immer wieder ins Spiel. Und ob das jetzt Realität ist oder „tatsächlich“ ein (Drogenrausch-/Alp-)Traum, die Frage stellt sich Bryan ziemlich zum Schluss …

Darum geht´s
… in dieser ziemlich verrückten Story, die damit schon wieder recht glaubhaft erscheint: „Seine ganze Jugend über waren sie Bryan Austers Helden: die großen Privatermittler von Chandler oder Hammett, die einsamen Wölfe mit Zigarette, Hut und Trenchcoat. Einige Wochen Krankheitsvertretung in der Detektei seines Vaters reichen aus, um ihren Mythos zu zerlegen. Trister Alltag, klägliche Routinen, weit entfernt von düsterem Glamour oder irgendeiner Relevanz. Doch dann wird Bryan Zeuge eines echten Verbrechens. Und findet Geschmack am Ermitteln – mit fatalen Folgen. Nur wenige Straßen weiter ist Kommissarin Colleen McCollum unterwegs. Sie hasst ihren Joballtag, ihre unfähigen Kollegen, die Erbärmlichkeit der Verbrecher. Und wird mit einer bizarren Mordserie konfrontiert, die sie zwingt, noch einmal ganz neu über ihr Leben und ihre Profession nachzudenken.“ In einer raschen Abfolge als Zickzack unterschiedlicher Perspektiven (vor allem der beiden genannten Protagonisten, C.C.s im Präsens, also zusätzliche Dynamik in der Schreibe), teils ineinander übergehend. Und natürlich kommt Leser ins Grübeln: Gibt´s da noch mehr Vorbilder aus dem wahren Leben, die der Autor verarbeitet hat? Etwa den Internet-Investor Lance Kilbourne nette Namens-Kombi eh schon  …), der für die Samwer-Brüder stehen mag – und Valhalla-Capital für Rocket Internet? Manipulierendes Vernetzen inklusive, siehe etwa S. 366f.: Wer Zugriff auf verschiedene Plattformen hat, kann die Informationen daraus natürlich zusammen führen und anderweitig nutzen, z.B. politisch – was woran erinnert? Ja, Cambridge Analytica.

Flotte Sprüche
Viel Marketing-Gedöns ist drin, rund um diesen „Inkubator“ (als Marketeer darf ich das sagen, glaube ich  …), siehe etwa „1000 Apps in 1000 Tagen“, woraus ein wahres Sammelsurium bereits entstanden ist, zuzeiten der Handlung (S. 92ff. – etwa ClickSlave, TrollServe, CleanInternet – wer kann schon vermeiden, sich an aktuelle Geschehnisse der „digitalen Wirtschaft“ zu erinnern?!). Und zum Buch gab´s Motto-Motiv-Spruch-Karten à la „Wofür braucht es noch Detektive, wenn jeder seinem Smartphone freiwillig den Fingerabdruck gibt?“ – voraus gesetzt, Polizei erhalte Zugriff darauf … Und auch die noch: „Jeder hat seine Geheimnisse – wir verraten Ihnen, welche“ (passt zum StartUp SideStep), „Verschwiegenheit ist das größte Kapitel des Detektivs“ (da wären wir bei Detectify), „Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass du nicht verfolgt wirst“ – schöne Erkenntnis  … Vielerlei Seitenhiebe gibt’s zu lesen, etwa zu der Audio-Steuerung à la Siri, Alexa & Co. (S. 202ff. manipuliert derlei ein Maus-Pärchen bis zum Kannibalismus…), hier Sara genannt. Bis hin zu psychologischen Problemen der Stimmgeberin … Also: Pop-Literatur vom Feinsten! Siehe auch meine Rez. zu „Greenwash Inc.“, dem Vorläufer-Roman. HPR

Hanspeter Reiter