Handbuch Sprache in Organisationen
Autor | . Habscheid, Stephan / Müller, Andreas P. / Thörle, Britta / Wilton, Antje (Hg.) |
Verlag | deGruyter |
ISBN | 978-3-110-29581-8 |
Die Reihe Handbücher Sprachwissen ist um „Sprache in Organisationen“ ergänzt. Auch dieses Handbuch richtet sich primär an Sprachwissenschaftler, Bibliotheken und akademische Institute, gehört indes auch in die Bibliothek jener Organisations-, Unternehmensberater und Coaches, die für ihre Tätigkeit und deren Erfolg wesentlich darauf angewiesen sind, ideologische Vorannahmen, kulturspezifische Konnotationen und Detonationen, milieu- und gruppenspezifische Eigenheiten in Sprechen und Kommunizieren zu erkennen und Umfeldfaktoren, die nonverbale und verbale Sprachen/ Sprechen beeinflussen, einzubeziehen. Besonders instruktiv dafür sind Beiträge aus den Kapiteln 2, 3 und 5. Theoretische und empirische Erkenntnisse aus verschiedenen linguistischen Feldern und ihre erkenntnistheoretische Herkunft ermöglichen ein tieferes und abstraktes, Kategorisierungen begünstigendes Verständnis kommunikativer Akte und inspirieren, aktives und erlebtes Sprechen systematisch zu analysieren und gewonnene Einsichten anzuwenden. Bekannte Disziplinen der Sprachwissenschaft sind neben Konversations-, Diskursanalyse Sozio- und Interkulturelle Linguistik, zwei Bereiche, die in dem Band prominent vertreten sind, ergänzt unter anderem um eine Linguistik, die Metaphernforschung, wenn auch nur aus der Tradition von Lakoff/ Johnson, einbezieht, während eine zusätzliche Erweiterung die Integration von Embodiment ist. Ferner finden Lesen Ausführungen zu dem empirischen Ansatz der Workplace Studies, einen Beitrag aus dem Kapitel „Anwendungsfelder“ konkret zu ideologiekritischer Betrachtung organisationaler Leitbilder (Achtung: der Autor ist selbst ideologielastig, erklärtermaßen). Dieser Ausschnitt zeigt bereits das recht breite thematische Spektrum der Kapitel und Beiträge an; letztere in den Schlussbemerkungen fast sämtlichst mit einer kleineren oder größeren Liste an Desideraten – mit Adresse an die forschende und denkende Wissenschaftsgemeinde. Als Leser fügt man hinzu: Bitte nicht verweilen bei in praxi längst überholten Kommunikationsroutinen/ praktiken, eingebunden in hierarchische Strukturen, die a) strikt eingehalten und b) kommunikativ abgebildet seien. Dies ist von der Praxis weitgehend überholt und selten vorzufinden.
Die Beiträge unterstehen fünf Kapitelthemen und beginnen jeweils mit einem Abstract. Sie sind vor allem als Panoramablick über das jeweilige Spezialfeld gedacht und bieten dem Interessierten daher Literaturhinweise, denen er folgen kann. (Zuweilen erstaunt das Alter der Literatur und der Mangel an neuesten Publikationen.)
Gemein ist den Beiträgen ihre erkenntnistheoretische Herkunft dank des linguistic turn in Philosophie und Sprachwissenschaft. Im Verbund mit Kernideen von Konstruktivismus und Konstruktionismus (Gergen/Gergen) gehen die Autoren davon aus, dass Wirklichkeit sprachlich konstituiert und konstruiert wird, in jeder Kommunikation neu. Die in der aktuellen Philosophie des so genannten Neuen Realismus populär diskutierte Problematik dieser expressis verbis auch ideologisch bedingten Festlegung wird lediglich in dem leider kurzen Beitrag thematisiert, nämlich in dem von Cornelia Hegele-Raih. Sie skizziert in groben Zügen den Ansatz des Neoinstitutionalismus, der sich v.a. dagegen wendet, organisationalen Wandel als hervorgerufen durch Wandel kommunikativer Muster zu erklären. Dieser Ansatz möge eine Etappe sein, sprachwissenschaftliche Betrachtungen aus den Wolken hinaus- und auf den Boden der Tatsachen (!) zurückzuholen – und jenseits kausallogischen Konstruktivismus` zu denken, jedenfalls bezogen auf Organisationen aller Art und Kommunikationen, die um nicht nur geistig oder psychisch Vorhandenes oszillieren.
Zwischen der „Mikroebene“ sprachlichen Handelns und Interagierens auf der einen, der „Makroebene“ kollektiver sprachlich-kommunikativer Praktiken und Strukturen auf der anderen Seite ist die zwischengelagerte Ebene der organisationalen Kommunikation systematisch in den Blick zu nehmen: Quer zu den verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen, Wissens- und Handlungsfeldern legen organisationsspezifische Rationalisierungen dem Sprachgebrauch spezifische Bedingungen auf, sei es in Form von Standardisierung oder eines normativen und kalkulierten Umgangs mit sprachlicher und kultureller Diversität. Wir gehen von der Beobachtung aus, dass die mehrsprachige, interkulturelle und professionell stark ausdifferenzierte kommunikative Praxis in der heutigen Organisation zu einem Normalfall geworden ist. Mit dem Ziel einer breiten Abdeckung bezieht das Handbuch Sprache in Organisationen die Objektsprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch und die Kulturen der jeweiligen Sprachräume ein.