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Geld macht doch glücklich

Autor Weimann - Knabe - Schöb
Verlag Schäffer-Poeschel
ISBN 978 3 7910 3194 1

Wer Sachbücher mit dem Stift in der Hand liest, sollte bei diesem Buch zumindest einen leicht ausradierbaren Bleistift nehmen. Denn das Autorentrio nimmt zu allen Fragestellungen, Studien-, Forschungsdesigns und Ergebnissen, die es präsentiert, eine sokratisch-skeptische Haltung ein: Immer wieder werden Aussagen befragt, und im Zuge dieser Nachfragekaskade werden scheinbar eindeutige, gefällige, oft publizierte und simplifizierte Ergebnisse und Erkenntnisse aus der so genannten Glücksforschung scharfsinnig überprüft. Mit anderen Worten: Das Anstreichen dessen, was „endgültig“ scheint, empfiehlt sich am Ende eines Kapitels oder bei einer zweiten Lektüre.

 

Die produktive Skepsis teilt sich nicht geballt mit, sondern nachvollziehbar anhand von Begriffen, Thesen, Überlegungen, Erläuterungen und (Labor-, Forschungs-) Ergebnissen. So werden Glück(sgefühl), subjektives Wohlbefinden und Zufriedenheit als Begriffe einander gegenübergestellt und gefragt, worin semantische Unterschiede liegen, was Forschung hier aufdecken und klären kann. Oder es werden häufig publizierte Thesen im Kontext des Studiendesigns oder der Fragestellung auf ihre messmethodischen Grundlagen und Messbarkeit überprüft. Die Herren zeigen außerdem, dass Einkommen unter bestimmten Bedingungen zwar absolut oder direkt mit mehr Zufriedenheit korreliert, mit Saturierung gesellschaftlich definierter „Grundversorgung“ allerdings nur noch relativ (z.B: zu den Peers oder zum Status) und indirekt, vermittelt über weitere Variablen, entscheidend zur Lebenszufriedenheit beiträgt – und (affektives) Glück bzw. Lebenszufriedenheit bei nüchterner Betrachtung nur subjektiv empfunden und daher als Gegenstand vergleichender Forschung wenig geeignet ist. Diese Beispiele gründlichen, zuweilen pflügenden Nachdenkens, ließen sich fortführen – sehr lehrreich.

 

Das Lehrreiche erstreckt sich über solche Diskussionen hinaus auf wirtschaftswissenschaftliche Axiome, Betrachtungs- und Folgerungsweisen, Eigentümlichkeiten etc. – stets am roten Faden der Behandlung des (selten direkt kausalen, sondern multifaktoriellen, -dimensionalen Bedingungs-) Zusammenhangs von Einkommen bzw. Geld und Glück (Momentaufnahme, Affekt) bzw. Lebenszufriedenheit. (Dem wirtschaftswissenschaftlich mit Betonung auf Wissenschaft interessierten Leser bieten die Autoren im Anhang noch ein Schmankerl, nämlich die Darstellung und Diskussion neoliberaler, neoklassischer Reflexionen, Meinungen, Positionen.)

 

Neben einem Einblick in die ökonomische Glücksforschung (Teil 1) systematisieren die Autoren die erwähnten prinzipiellen Nachfragen in Teil 2 („Was ist dran an der Glücksforschung?) und erörtern einige Möglichkeiten, eine der unbestreitbaren Erkenntnisse in gesellschaftlich wirksame Maßnahmen umzusetzen verstreut, vor allem aber in Teil 2. Im Fazit ist – politisch brisant – etwa diese politisch relevante Folgerung zu lesen: „Machen wir uns …. einmal deutlich, was es genau bedeuten würde, wenn wir weiter behaupteten, dass steigende Einkommen keinen Einfluss auf unsere Lebenszufriedenheit haben. Es würde implizieren, dass es für unser Lebensglück unerheblich ist, wie lange wir leben und wie wir leben, denn beides wird massiv durch unser Einkommen bestimmt.“ (159f) 

Wer immer sich unterhalb der Oberfläche mit der viel zitierten Glücksforschung befasst, differenzierte und differenzierenden Argumentationen und Erläuterungen schätzt und dem es ein Anliegen ist, Zahlen, Daten, Fakten sowohl methodisch als auch ideologisch überprüfen und einordnen zu können, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. 

Hanspeter Reiter / Dr. Regina Mahlmann