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Future for Fridays

Autor Clemens Traub
Verlag Quadriga
ISBN 978-3-86995-098-3

Die Frage, die der 1979 geborene Clemens Traub als Titel für seine Streitschrift gewählt hat, beantwortet er so: Eine Zukunft (im konstruktiv gestaltenden Sinn) hat diese Protestbewegung nur dann, wenn sie sich öffnet: sozioökonomisch und auch bildungspraktisch schlechter gestellten Gruppen/ Milieus, wissenschaftlichen und pragmatischen (Folgewirkungen von Maßnahmen bedenkenden, Verknüpfungen beachtenden) Argumenten, Positionen und Empfehlungen, die jenen Behauptungen und Forderungen widersprechen, die von den vorzugsweise ideologischen Festlegungen der gegenwärtigen zu 90% aus Abiturienten und Personen aus wohlbehüteten und komfortablen Milieus bestehenden moralisierenden Protestlern lautstark ins Feld geführt werden.

Eine zweite Schiene kritischer Stellungnahme gilt Journalisten und Politikern: Von ihnen fordert der Student der Politikwissenschaften und studentische Mitarbeiter der heute-Reaktion des ZDF: mehr professionelle Distanz, Intellektualität und Verantwortung; der Journalisten eingedenk der skalierenden Wirkung von Publikationen (88ff, 98ff) sowie eingedenk ihrer Pflicht zu Information statt Mission, zu Neutralität statt Parteilichkeit (abgesehen von „Kommentar“-Beiträgen), und von Politikern eingedenk ihrer übernommenen Verantwortung, den politischen Raum für alle Bevölkerungsgruppen zu gestalten und Rahmenbedingungen wie Regularien zu markieren, die im Interesse der gesamten Bevölkerung liegen, um – unter anderem – allen demokratische Teilhabe zu ermöglichen und ein verträgliches Maß sozioökonomischer Gerechtigkeit gerade im Rahmen von Klimawandel zu sichern (102ff), z.B.: „Die politische Debattenkultur stand der medialen Hysterie … in nichts nach. Sachliche Zwischentöne gingen im Eifer der öffentlichen Klima-Empörung unter. Wer Kritik und Zweifel an der Wirksamkeit klimapolitischer Forderungen äußerte, wurde gerügt.“ – mit der Folge, dass aus einer durchdachten Klimapolitik ein „kurzsichtiger Klimaaktionismus“ wurde. „Und aus unseren Politikern wurden, noch stärker als sonst, Getriebene eines überwältigenden Medientrends“ (103f)

Clemens Traub gehört der Peergroup der FfF-Bewegung an – und hat damit einen Riesenvorteil gegenüber Autoren, die außerhalb dieser stehen. Es ist zu hoffen, dass diese Streitschrift Furore machen wird, sowohl innerhalb der Peergroup als auch bei Journalisten, denen er ähnliche Borniertheit bezüglich abweichender Haltungen und Positionen sowie distanzlose Parteinahme vorwirft (88ff), und Politkern, denen er als ein junger, reflektierender und politisch denkender Mensch die Leviten liest: mit Argumenten (die durchaus noch bereichert werden können).

Das Büchlein beschreibt in höchst sympathischer Weise den persönlichen Werdegang, die eigene Reise von „Fridays for Future“ zu „Future for Fridays?“. Diese Reise ist ein Lehrstück von Reifung oder der Kombination von Parteinahme und Inblicknahme dessen, was außerhalb der Blase stattfindet, also: dank der Ausweitung des Blicks, des Einnehmens verschiedener Perspektiven. Eine Reise, die Clemens Traub startete mit uneingeschränkter Begeisterung über die Station des Zweifels (via Einspeisen von gegenläufigen, widerspenstigen Beobachtungen, Überlegungen, Meinungen und Argumenten) bis hin zu einer reflektierten Haltung, Argumentation und Stellungnahme – und Empfehlungen an all jene, die er adressiert (77ff).

Einige weitere Kostproben der Reise von Begeisterung zu konstruktiver Kritik:
„Jeder, der mit seinem Lebensstil nicht voll und ganz den rigorosen Ansprüchen meiner „Fridays for Future“-Bekannten gerecht wurde, sollte bald als Klimasünder abgestempelt werden. Und so fragte ich mich nach kurzer Zeit, für wen die Bewegung denn eigentlich die Erde retten möchte….“ (17) „Wenn die Bewegung nicht aufpasst, wird sie durch ihr Verhalten die Spaltung der Gesellschaft noch weiter vertiefen….“ (ebd.).

„Je häufiger ich sie sah, desto mehr störte mich ihr arrogantes Auftreten. … Andauernd hoben sie mahnend den Zeigefinger. Blickten aus dem Elfenbeinturm auf alle Menschen die anderer Meinung waren, herab…..Elitäre Selbstüberschätzung, wohin ich blickte.“ (27) Und das eingedenk des Umstandes, dass die Mehrheit der Protestler selbst Umweltsünder sind (Herkunft, Lebensstandard eines nachgewiesenermaßen „sozial privilegierten Nachwuchses“, 28).

Zu dieser „Arroganz“, dem elitären Selbstwertgefühl und der Selbstzuschreibung als „unverstandene Außenseiter“, sich rechnend zu einem „Rebellentum“, das „sexy“ ist (33), gehört „das überhebliche Augenrollen (…..), das Argumentation durch Moral und unfundierte Forderungen ersetzt, ebenso wie eitler Narzissmus, unfundierten Elitismus und Selbstgerechtigkeit“, sich äußernd u.a. darin, dass die Bewegung mutiert sei zu einem „Karrieresprungbrett für den ehrgeizigen Elitenachwuchs“ (30, 30ff) – und dies blamablerweise auch noch gefördert von Unternehmen (Siemens) und Politikern.

All dies äußert sich zudem in einer verächtlichen Ignoranz gegenüber den Sorgen, Anliegen, Argumenten anderer Milieus und Bevölkerungsgruppen (sozioökonomisch, bildungsbezogen), der nicht-städtisch lebender Menschen (Stadt-Land) (z.B. 40ff) und insgesamt gegenüber jenen, die schlicht eine andere Lebensphilosophie verfolgen und/oder auf die zahlreichen blinden Flecken deuten, die die Protestler aus eben dieser Haltung heraus nicht beleuchten (wollen) – bis hin sich äußernd in einer „Doppelmoral der Bewegung, wenn es um Fragen des Lebensstils geht“ (z.B. 46ff) oder in der spätpubertierenden Haltung und einem Verhalten, das „ein bisschen wie bei quengelnden Kindern“ (51f) daherkomme, empörungsbereit und wertend („how dare you“), nur eigene Meinung zulassend, nicht zuhörend, einer alles-oder-nichts-Logik folgend, vereinfachend (57), die eigene Auffassung für absolut nehmend, für alternativlos haltend, Moral anstelle von Sachargument setzend, Autoritarismus forcierend statt demokratisch debattierend (52ff, 59).

Auch das borniertem Denken bzw. Selbstgerechtigkeitsfühlen entspringende Ausspielen der Generationen gehört zum spalterischen und an Reflexion und Konstruktivität armen Charakteristikum (68ff); bezüglich des WDR-Videos zur Oma als „Umweltsau“ zitiert Clemens Traub: „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jeds Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“ Er kommentiert u.a.: „Kann man sich eine menschenverachtendere Aussage vorstellen?“ (74), um dann zu zeigen, inwiefern gerade diese Generation Grundlage für heutigen, auch den FfFlern zukommenden Wohlstand gelegt und keinesfalls Umwelt über Gebühr in ihrem Alltag belastet hat – im Gegensatz zu den FfF-Protestlern.

An Politiker eingedenk der fehlgeleiteten so genannten Energiewende anlässlich der Kernschmelze eines AKWs in Japan (115ff), konstatiert der junge Autor: übereilt, undurchdacht, hysterisch: „Heute sehe ich besorgniserregende Parallelen zu damals: Wieder scheint sich die Politik mit ihrem unüberlegten und wenig zielorientierten Klimaaktionismus, verursacht durch die hysterische Getriebenheit in Folge eines Hypes, zu verrennen.“ (118; 125ff) Clemens Traub rät zu mehr Sachlichkeit: „Politiker müssen wieder zu nachhaltigen Gestaltern einer vernünftigen Klimapolitik werden und dürfen sich nicht als Getriebene eines Hypes zu erkennen geben!“ (119)

Dieser Streitschrift ist weite Verbreitung und eine argumentativ-streitende Leserschaft zu wünschen, unter den Peers, unter Journalisten, Politikern und opportunistisch-aktivistischen Unternehmern. Sie alle seien zum Nach- und Weiterdenken angeregt. Journalisten wie Politiker mögen diese Stimme aufnehmen, um ihrer professionellen Verantwortung angemessenes Handeln folgen zu lassen – mit großem Raum für Differenzierungen, für Grautöne, für Wirkungszusammenhänge auf diversen gesellschaftlichen Feldern zu Gunsten vernünftiger Maßnahmen, national wie international.

Regina Mahlmann