Für alle Lieben in der Welt. Ich Immendorf
Autor | Jörg Immendorf |
Verlag | Verlag Walther König |
ISBN | 978-3-960-98374-3 |
„Feridun Zaimoglu: Ich, Immendorff: Ausst. Kat. Haus der Kunst, München 2018/19 Reina Sofia, Madrid 2019“ verweist (z.B. bei amazon) darauf, dass dieser sensationelle „Rundumschlag“ eine Ausstellung begleitet, die nacheinander an zwei Orten besuchbar ist. Doch schon das Buch-Werk an sich ist höchst lebendig …
Das Oeuvre – umfassend, geradezu – ausufernd!
Auf eine besondere Weise kuratiert, öffnet sich dem Betrachter wahrlich die Welt von Immendorff in einer „ersten großen Retrospektive, die dem Künstler seit seinem Tod 2007 ausgerichtet wird. Die Identität des Künstlers war tief verwurzelt in der Geschichte Deutschlands und geprägt von der Nachkriegszeit. Über 120 Arbeiten werden nicht in streng chronologischer Abfolge präsentiert, sondern zeigen Schlüsselelemente in der Entwicklung von Immendorffs Œuvre in einzelnen Kapiteln. So ermöglichen sie einen differenzierten Blick auf sein Leben und Werk. Unter den Arbeiten befinden sich einige nur ganz selten zu sehende Leihgaben sowie sehr bekannte Gemälde, die das mehr als vier Jahrzehnte umspannende Schaffen des Künstlers anschaulich machen.“ Mit des Künstlers eigenen Texten (100 fliegende Zettel von Feridun Zaimoglu: „Ich, Immendorff“) werden Themenwelten eingeführt, die teils in diversen Varianten erschließbar sind, zum Einstieg in den Bildteils vignettenhaft übersichtlich zusammen gestellt. Von der gesellschaftspolitisch-agitatorischen Werkphase der 1960er bis frühen 1980er-Jahre bis zu den allegorisch verschlüsselten Gemälden seiner letzten Schaffensperiode, gekennzeichnet naturgemäß von der 1998 diagnostizierten Nervenkrankheit, die Immendorff auch zu einer veränderten Malweise führte, als Regisseur der Bildgestaltung, ausgeführt von anderen. Aus dem Spätwerk sind die politischen und gesellschaftlichen Botschaften zur deutschen Wiedervereinigung oder davor zu diversen Themen schließlich entwichen.
Ausstellung und Katalog
Die Ausstellung ist im Haus der Kunst zu sehen, seit 14.09.2018 bis 27.01.2019 – danach in Madrid im Museo Raina Sofia vom 29.10.2019 – 13.04.2020, weswegen es auch eine englischsprachige Ausgabe gibt. Was ich für die bessere Lösung halte, in diesem Fall, statt einer zweisprachigen Gesamtauflage. Der Katalog enthält ein Vorwort von Ulrich Wilmes (dem Hauptkurator, der gerade das Haus der Kunst verlässt) und Manuel Borja-Villel, und Texte von Okwui Enwezor (man erinnere: documenta11 2002), Johanna Adorjan, Ulf Jensen, Danièle Cohn, Harald Szeemann, Pamela Kort und Feridun Zaimoglu.
Die Ausstattung: Buchkunst!
Schon der Umschlag: eine Wucht! Denn er lässt sich als „Vierteiler“ aufklappen, sodass auf einer Seite ein Kunstwerk erscheint, Cover und Rücktitel je eigen bleibend. Das Papier der einführenden Text-Kapitel ist je unterschiedlich farbig, die Texte zu den Werken sind quasi Klappentexte, die einen Teil bereits sehen lassen. Alles tatsächlich „soft“ („französische Broschur“), braucht behutsames Behandeln. Kraftvolle Farben geben fast „Originales“ wieder, bei 223 der insgesamt 267 Abbildungen (siehe auch Skulpturen!), auf mehr als 700 Seiten im fast quadratischen Großformat (26×30 cm). Das alles übrigens für einen überraschend günstigen Preis …
Oha, das hat auch mit Comics zu tun?!
Streckenweise entdeckt Betrachter Text-Bild-Kombinationen, siehe etwa den „Brecht-Zyklus“ (S. 244ff.). Doch wenn schließlich gar Sequenzielles aufpoppt, liegt der Comic doch recht nah?! Panel-Folgen entdeckte ich etwa S. 254 oder S. 260 (Für das Volk: oha!), wenn auch mit (meist) unten integriertem Text statt Sprechblasen. Denen ähnlich z.B. integrierter Text auf S. 285 („Kann man damit…) – auch all dies in einer bestimmten Schaffens-Periode (ca. 1972-1976). Hat trotz der plakativen, vollflächig-farbigen Darstellung mit Popart nichts am Hut, wenn damit immerhin auch die teils konsumkritischen Themen Verbindung herstellen: Spannender Aspekt! HPR