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Engelbarts Traum

Autor Henning Lobin
Verlag Campus
ISBN 978-3-593-50183-3

„Wie der Computer uns Lesen und Schreiben abnimmt“, wenn wir das zulassen, wäre zu ergänzen. Denn der Autor diskutiert durchaus ein Für und Wider dieses kulturellen Wandels (oder gar kultureller Revolution?!), wenn uns etwa „der Computer“ immer mehr von klassischem Schreiben und Lesen abnimmt. Siehe automatisches Ergänzen bei Google oder in Schreibprogrammen, siehe Text-Automation – oder grundsätzlich das Abhängig-Sein vom Computer an sich und der im Rechner „versteckten“ Übertragung von Sprache in die eine oder andere Richtung, via Software, also: Computer-Sprache. Besonders wertvoll ist dieses Buch auch dadurch, dass der Autor einen weiten Bogen spannt und Schrift in der menschlichen (Kultur-)Geschichte herleitet, aus der Sprache in die Sprache quasi, siehe das zunächst laute, später leise auditiv orientierte Mitlesen beim Erfassen von Schrift. Bestens passt die Publikation in die gerade jetzt (Anfang 2015) breite Diskussion zum Abschaffen von Schreibschrift und möglicher Konsequenzen in der Literalität … Leser fühlt sich begleitet, „auf dem Weg in die Digitalkultur“ (Rücktitel), Fluch und Segen zusammen fallend. Tieferen Einblick gewährt Henning Lobin in den digitalen Code als Medium (u.a. rund um S. 78), befasst sich mit den Konsequenzen multimedialen Schreibens und Lesens, siehe Buchbranche (z.B. S. 226ff.). Wie gehen die nachkommenden Generationen damit um? Die dawkins´schen Meme kommen ins Spiel (etwa Tabelle S. 204, „kulturelle Evolution“, DNA in Texten quasi). Und Bildung wie Weiterbildung (S. 233ff.) sind zentral von dieser Entwicklung betroffen: „Die Ortsgebundenheit von Wissen, Lehren und Lernen ist im Zeitalter des Internets passé, das Verhältnis von Ort zu Netz aber ist weiterhin ungeklärt. In den wenigsten Studiengängen finden sich fundierte Konzepte dazu, wie Präsenz mit Vernetzung sinnvoll kombiniert werden kann … Zwei weitere negative Phänomene, die sich zu Kreisläufen zusammenzuziehen drohen, hat die Digitalisierung … hervorgebracht. Zum einen das Plagiat … Das zweite Phänomen ist die Präsentation … ist in vielen Fällen zu beobachten, dass mit ihnen die sprachliche  Ausformung … verarmt …“. Auch Fragen des Urheberrechts spricht der Autor an (S. 252ff.), ebenso Datenschutz rund um BigData und NSA-Affäre: Ein weites Feld, das Lobin hier bestellt, auf dass Leser ernte! Ach ja, und was hat das mit „Engelbarts Traum“ auf sich? Der Erfinder u.a. der Computermaus Douglas Engelbart hat bereits 1968 die Automatisierung (und damit Digitalisierung) von Schrift und Schreiben vorher gesehen … HPR

Hanspeter Reiter