Eine Frau schaut Männer, die auf Frauen schauen
Autor | Siri Hustvedt |
Verlag | Rowohlt |
ISBN | 978-3-498-03031-5 |
„Essays über Kunst, Geschlecht und Geist“ hat zwei getrennte Themen-Kreise, von der Autorin essayistisch exzellent bedient: Kunst (dazu gehört der Buchtitel) und Neuro (Was sind wir? Vorträge über das Menschsein).
Geistvolles über Geist und mehr
Leser kann sich darauf freuen, hier gesammelte Werke zu finden, meist schon anderer Stelle veröffentlicht, häufig allerdings verbal, als Rede – also erstmals publiziert, vorher überarbeitet. Die Autorin weiß, warum sie worüber schreibt: „Siri Hustvedt, die Autorin solcher internationaler Bestseller wie „Was ich liebte“ und „Der Sommer ohne Männer“, war schon immer fasziniert von der Biologie und der Theorie der menschlichen Wahrnehmung. Sie liebt die Kunst, die Geistes- und die Naturwissenschaften gleichermaßen. Sie ist Romanautorin und Feministin. Die im vorliegenden Band versammelten, ebenso klarsichtigen wie radikalen Essays legen eindrucksvoll Zeugnis von ihren vielfältigen Talenten ab.“ Das ist eher untertrieben, ihre Inhalte kommen sehr professionell-expertig daher!
Kunst und mehr
… steht im Fokus der ersten Hälfte: „Der erste Teil untersucht die Fragen, die mitbeeinflussen, wie wir Kunst und die Welt im Allgemeinen sehen und beurteilen: Fragen der Wahrnehmung, Fragen des Geschlechts. Grundlagen dieser Diskussion sind etwa Werke von Picasso, de Kooning, Jeff Koons, Louise Bourgeois, Anselm Kiefer, Robert Mapplethorpe, Susan Sontag und Karl Ove Knausgard.“ Eine gelungene Mixtur aus Kunst-Kritik und Lebenssicht auf Basis von Gemälden – und durchaus weit ausholend, siehe etwa S. 140f.: „Wofür ist Erzählliteratur da? .. Warum sind manche Bücher nach Hunderten von Jahren noch interessant, und andere verschwinden innerhalb eines Jahrzehnts oder in einer Saison? Booth Tarkington erhielt zweimal den Pulitzer Preis… wo ist er jetzt?“ Oder in „Das schreibende Selbst und der Patient in der Psychiatrie“ S. 180: „Das Schreiben ist wahrscheinlich nicht älter als 5500 Jahre… Und doch hat die Wahrheit, dass alle des Lesens und Schreibens kundige Menschen imstande sind, innere und äußere Realitäten mit Hilfe kleiner Hieroglyphen auf einem Blatt Papier auszudrücke, die ovn anderen .. gelesen und verstanden werden, etwas von einem Wunder.“ Voila, vorher „nur“ mündlich ausgedrückte Gedanken fest gehalten „für die Ewigkeit“ also!
Neuro und die Welt
Mit Hirnforschung beschäftige ich mich schon länger, siehe Neuromarketing (oder auch H. und Weiterbildung, heraus gegeben von mir bei Beltz) – weshalb mich vor allem die hintere Hälfte besonders bereichert hat, siehe etwa die Mirror-Touch-Synästhesie, von der die Autorin selbst betroffen ist (S. 271ff., darin S. 280): „Vermutlich wird die Information dem Säugling gar nicht über einen bestimmen Sinnesmodus vermittelt… Synästhetiker bewahren, was andere verlieren.“ Vielerlei Themen, mit denen Leser fündig werden kann: „Der zweite Teil befasst sich mit neurologischen Störungen und, unter anderem, mit den Rätseln von Hysterie und Synästhesie sowie mit der Selbsttötung. In letzter Zeit wird oft gefordert, man müsste eine neue, stabile Brücke zwischen Geistes- und Naturwissenschaften bauen. Im Moment existiert nur eine behelfsmäßige, aber Siri Hustvedt fühlt sich ermutigt von den Reisenden, die sie in beide Richtungen überquert haben. „Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen“ ist eine einsichts- und eindrucksvolle Bestandsaufnahme dieser Reisen.“ Wer mag, reise mit! Als Weltreise – oder mit Tagesausflügen, ganz nach Wunsch …HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de