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Die Wirtschaft ist für den Menschen da

Autor Ulrich Hemel
Verlag Patmos
ISBN 978-3-8436-0344-7

„Vom Sinn und der Seele des Kapitals“ klingt via Haupt- wie Untertitel sehr nach Kapitalismus-Kritik. Doch nimmt der Autor durchaus eine neutrale Position ein, rund um seine Kernthese „Wer mit Kapital umgeht, tauscht Geld gegen Träume“ – und da gebe es eine helle wie auch eine dunkle Seite, je nach Umgehen damit: „Für manche Menschen wird Kapital sogar zur geistigen Lebensform und zur Alltagsreligion“ (U4). Sein Denken und Schreiben basiert auf praktischer Erfahrung jahrelanger Manager-Tätigkeiten größerer Unternehmen – und er verbindet diese mit vielerlei philosophischer Einsicht. So auch erkennbar über die Kapitel-Überschriften: Traum und soziale Welt – Symbolkapital – das Kapital des Kapitals – Die helle Seite des Kapitals – Die dunkle Seite … – Die Logik der Ambivalenz – Kapital im Licht theologischer Reflexion – Der Sinn des Kapitals und die Logik der Geschichte – Die Vision: Menschenwürdiges Wirtschaften in der globalen Zivilgesellschaft. Auf diesem Weg führt der Autor den Leser von „Die kapitalistische Transformation und der Beziehungscharakter von Kapital“ nach und nach u.a. über „Kapital als mentale Lebensform“ und „Gottes Kapital als Talent zur Menschlichkeit“ hin zu „Ökosoziale Marktwirtschaft: Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit weltweit als Aufgabe der globalen Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert“. Markenwelten finden sich S. 53ff.: „Der Prozess der Markenbildung fängt mit Bekanntheit und einem identifizierbaren Markenprofil an“, inzwischen auch „auf Personen und Institutionen übertragen“ – wir sind beim Marketing und bei auch für Trainer und Berater, Weiterbildner überhaupt relevanter Auseinandersetzung mit Wirtschaft. In „Die sprachliche und zeitliche Ambivalenz des Kapitels“ (S. 110ff.) setzt sich der Autor mit „sinnvollen Investitionen“ auseinander, siehe „Kapital als dynamische Fließgröße“ (cash-flow) und „Kapital als explizite Zukunftserwartung“ (RoI): Wir sind bei „angewandter Betriebswirtschaft“, einem der klassisch-zentralen Themen von GABAL e.V.! Die „neuen wesentlichen Eigenschaften des Kapitals“ (S 167ff.) führt er auf wie folgt: Sozialität – Temporalität – Instrumentalität – Ambivalenz – Potenzialität – Illusorik – Steigerung – Risiko – Symbolik – und erläutert diese mehr oder weniger tief. Beispiel „Risikofaktoren im Umgang mit Kapital“ mit den Stichworten: Haftungskapital – Hebelwirkung (oh ja, die Finanzkrise!!) – unterschätzte Größenordnungen (eben dort!) – unterschätzte Nebenwirkungen (Psychologie?!) – unterschätzte externe Störfälle oder Externalitäten – und: unterschätzte Anforderungen an Ausbildung, Talent und Kontrolle, ergo: Weiterbildung direkt bzw. an und via Führung?! Das Thema „Werte“ zieht sich naturgemäß durchs ganze Buch, etwa in „Auf der Suche nach einer neuen Wirtschaftsanthropologie“ (S. 206ff.): „Gerade die Kombination zweckrationaler und wertrationaler Überlegungen für wirtschaftliche Handlungen, die durch kulturelle Praxis, religiöse Überzeugungen und ethische Einstellungen geformt werden, bringt einen neuen Analyse-Brennpunkt in die fachliche Diskussion ein.“ Der Autor gipfelt seine Analyse u.a. in Aussagen dieser Art (S. 244f.) „Aus meiner Reise nach Äthiopien im Frühjahr 2013 ist mir die Einsicht geblieben, dass die Linderung materieller Armut das eine, die Erhaltung und Pflege menschlicher Beziehungen im sozialen Beziehungsreichtum das andere ist … Anders gesagt: Wertrationale und nutzenrationale Interessen fallen trotz aller Widersprüche langfristig zusammen …“. HPR

Hanspeter Reiter