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Die Weiterbildung der Weiterbildung

Autor Sonja Radatz
Verlag Literatur-VSM
ISBN 978 3 902155 15 3

Dies als Vorbemerkung: Der Titel hat mich angesprochen, auch und gerade unter GABAL-Aspekten – im GABAL e.V. geht es ja gerade darum, Weiterbildung für Weiterbildner zu bieten. Das zum einen – und auch dies: Wer mich als Autorin kennt, weiß, ich provoziere gerne, um Weiterführendes (Weiterbildendes!) anzustoßen. Das weiß auch Sonja Radatz, die in ihrer Zeitschrift einen meiner entsprechend provokativen Artikel im Umfeld zu meinem neuesten Buch „Unternehmen in der Psychofalle“ wieder gegeben hat. Meine Rezension zu ihrem hier zu besprechenden Buch ist durchaus freundlich-kritisch – und auch hier konnte ich mir die eine oder andere provokante Formulierung nicht verkneifen: Schließlich ist „Rezensieren“ für mich komprimierte Wiedergabe von Inhalten nur ein Teil, der andere das, was im Deutsch-Unterricht früher „Interpretation“ genannt wurde, inkl. Meinung … Leser/in möge sich ein eigenes Urteil anhand des Originals bilden! –

 

Das Motto des Buches „Ich bin, also lerne ich. Ich lerne, also bin ich“ betont die Botschaft: Lernen ist unausweichlich. Die Formulierung wird später im Text als Umformulierung des „Ich denke, also bin ich“ eingeführt, leider dem falschen Philosophen zugeordnet, nämlich Immanuel Kant. Verdanken tun wir es indes dem französischen Philosophen René Descartes. Dieser Lapsus ist zwar nicht symptomatisch, bedauerlicherweise indes nicht der einzige seiner Art.

 

Der Titel kündigt eine Metaperspektive an. Inwiefern diese faktisch eingenommen wird, mag der Leser entscheiden. Wer eine belastbare, neuere Trends einschließende kritisch-konstruktive Auseinandersetzung erwartet, wird enttäuscht. Die Autorin beschränkt sich vornehmlich darauf, Bekanntes an Überlegungen und Übungen ihrem Markenkonzept „Relationales Management“ einzuordnen. Marketing scheint denn auch im Vordergrund zu stehen – durchaus streckenweise zum Nutzen des Lesers, der praktische Anwendungen und Weiterbildungsprogramme sucht.

 

Die Autorin rekurriert in ihren Ausführungen vornehmlich auf ältere Texte (Piaget, Bateson, von Glasersfeld, von Foerster) und beansprucht, eine „Relationale Lerntheorie“ auf der Basis des Radikalen Konstruktivismus, der Kybernetik 2. Ordnung, dem Konzept der Autopoiesis und Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung auszubuchstabieren. Inzwischen gibt es

Differenzierungen, Korrekturen, scharfsinnige Infragestellungen der Grundlagen und Weiterentwicklungen dieser Theorien und Modelle, die jedoch ausgespart bleiben. Auch wenn man das rhetorische bzw. triviale Momentum von Relationalität streicht, wirken die Ausführungen so, dass sich der Leser fragt: Wofür das? Zudem bleiben sie hinter dem aktuellen Stand lerntheoretischer, lern- und kognitionspsychologischer Diskussion zurück.

 

Darunter leiden auch Gedanken, die es wert sind, näher befragt zu werden. So etwa der Fokus auf Utilität: Sonja Radatz behauptet, gelernt werde nur das, was „der Organismus“ für sich als nützlich erkenne und stützt sich dabei auf ihre oben genannten Hauptreferenzen. Wie verträgt sich das, um ein Beispiel zu nennen, mit all dem, was wir aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und Empirie über implizites, informelles Lernen wissen? Über das, was beiläufig, ohne Nützlichkeitsabwägungen „gelernt“ wird? Die mögliche Erwiderung, das, was beiläufig gelernt werde, sei eben deshalb gelernt: weil es nützlich sei, und das könne auch unbewusst der Fall sein, ist ein selbstreferenzielle, um nicht zu sagen, tautologische Figur. Auch der Lernbegriff, den sie verwendet, bedarf einer Aktualisierung. Damit stünden auch Konsequenzen für das, was die Autorin Relationale Lerntheorie nennt, zur Disposition? Gerade aus dem Umfeld Fritz B. Simon und Rolf Arnold (mit dem sie ein „Gespräch“ führt) und anderen Autoren des Carl Auer Verlages aus der Reihe systemtheoretischer Schriften könnte sie zahlreiche Anregungen aufnehmen.

 

Im Bedürfnis nach Abhebung von Bekanntem baut die Autorin einige Popanze auf. Etwa den Popanz einer Weiterbildung, die sich am „Nürnberger Trichter“ orientiert. Offenkundig ist ihr die pädagogische Diskussion um (systemische, ökologische) Lern-Lehrmodelle, um Konzepte in der Erwachsenenbildung, in der Rollenveränderung der Lehrperson entgangen. Der Selbsthervorhebung ist wohl auch geschuldet, dass die Autorin konzeptionelle Referenzen entweder nicht erwähnt (etwa die Anleihen in der Kurzzeittherapie von Steve de Shazer, überhaupt in der system(theoret)ischen Psychologie und Psychotherapie) oder als eigene Weiterentwicklung deklariert.

 

Der Titel mag programmatisch sein für eine Kontroverse, die erst noch zu führen ist.

 

Regina Mahlmann