Die Verschwörung der Idioten
Autor | John Kennedy Toole |
Verlag | Klett-Cotta |
ISBN | 978-3-608-93900-2 |
Viel schwarzer Humor, häufig an den guten alten britischen erinnernd, dabei von einem „echten“ US-Südstaatler 1963 geschrieben: Der Autor lässt wahrlich keinen Fettnapf aus, was der Übersetzer mit als Erklärung heranzieht, weshalb eine Veröffentlichung zu Lebzeiten wohl verunmöglicht war (Nachwort, S. 453ff.). Wohl kaum eine (damalige) Randgruppe, die Toole nicht aufs Korn nimmt: Schwarze, Schwule, Juden, Hispanier und Italiener, Behinderte und „Kommunissen“ und … wen auch immer. Sehr viel Autobiografisches spielt mit rein, sei es die überenge Mutterbeziehung des infantilen Protagonisten Ignatius J. Reilly, sei es die nicht ausgelebte Homosexualität. Ganz so verrückt fühlte Toole sich wohl nicht, wie er seine Hauptfigur darstellt (S. 7): „Auf dem kugelrunden Kopf eine viel zu kleine grüne Jagdmütze mit Ohrenklappen, die wie Signalzeichen waagerecht in beide Richtungen abstanden. Darunter ein paar Haarbüschel und zwei große, borstige Ohren. Ein buschiger schwarzer Schnauzbart und volle, geschürzte Lippen, in den Mundwinkeln ein Anflug von Verachtung, gemischt mit Krümeln von Kartoffelchips. Im Schatten des grünen Mützenschirms suchten Ignatius J. Reillys verschiedenfarbige Augen – eines blau, das andere gelb – die wartenden Menschenmenge unter der Uhr des D.H.-Holmes-Kaufhauses nach Anzeichen von schlechtem Geschmack ab.“ Denn letztlich sind immer die anderen die Idioten … Wenn heute viel von Nesthockern unter den jungen Erwachsenen gesprochen wird, ist er das „Musterbeispiel“, mit 30 Jahren, erfolgreicher College-Abschluss, ohne Job, noch nichts Richtiges zustande gebracht (seine essayistischen Anmerkungen sammelt er in Schulheften, ähnlich elaboriert und eloquent wie er auch mit allen Mitmenschen redet, von oben herab. Auch die Piraten-Partei findet sich vorweg genommen ;-), wenn „Ig“ (so seine ideologisierte Ex-Freundin, die ihn schließlich aus dem Milieu rettet und davor, zwangseingewiesen zu werden) ihn indirekt dazu verleitet, eine eigene Partei gründen zu wollen, deren Kick-Off-Veranstaltung er in einem (ihm aus anderen Gründen aufgezwungenen) Piratenkostüm bestreitet. Wie im Grunde alles, was er anpackt, gelingt ihm auch hier die Katastrophe. Willkürlich sei noch diese Passage zitiert, um die Sprache des Romans (in neuer Übersetzung) anklingen zu lassen (S. 179): „In der Menschenmenge, die an jenem Nachmittag an der Paradise Vendors Inc. Vorbeieilte, bewegte sich gemessenen Schrittes eine formidable Gestalt in der Person von Ignatius J. Reilly. Er blieb vor dem Garagentor steht, hob witternd die Nase und schnüffelte den paradiesischen Duft mit großem sensorischem Vergnügen. Mit Hilfe seiner langen Nasenhaare analysierte, identifizierte, kategorisierte und klassifizierte er die Geruchskomponenten und erkannte Würstchen, Senf und Schmierfett. Dann atmete er tief ein und konzentrierte sich darauf, auch die olfaktorische Zartheit des Hotdog-Brötchens wahrzunehmen. Er schaute auf die weiß behandschuhten Zeiger seiner Micky-Maus-Uhr und stellte fest, dass seit dem Mittagessen erste eine Stunde vergangen war. Dennoch lösten die verführerischen Düfte in seinem Mund erheblichen Speichelfluss aus.“ Nachdem er sich dann ins Abenteuer einer „Anstellung“ als Hotdog-Verkäufer gestürzt hat, wird er sein bester Kunde – mit entsprechender Wirkung auf sein arg mitgenommenes „Magenventil“ – schließlich ist er auch Prototyp des Hypochonders … Wer sich hinein liest, wird rasch nachvollziehen können, dass der Autor für dieses Werk den Pulitzer-Preis erhalten hat – postum (erstmalig!). Denn vorm Erscheinen nahm er sich in tiefer Depression das Leben, erst Jahre danach gelang es seiner Mutter (!), einen Verlag zu finden … Schön die Warnung auf der U4-Seite: „Lesen Sie diesen Roman nicht im Flugzeug oder im Wartezimmer – Sie fallen sonst unangenehm auf. Nicht durch Grinsen oder Kichern, sondern durch wieherndes Gelächter.“ – HPR (neu übersetzt von Alex Capus)