Die talentierte Miss Highsmith
Autor | Joan Schenkar |
Verlag | Diogenes |
ISBN | 978-3-2570-6898-6 |
Quasi zum 20. Todestag der berühmten Suspense-Autorin und kurz vor ihrem 95. Geburtstag (2016) habe ich mir diese höchst interessante Lebens- und Schaffens-Geschichte vorgenommen: „Die maßgebliche Biographie über das mysteriöse Leben und die phantastische Schöpferkraft von Patricia Highsmith. Minutiös recherchiert und außergewöhnlich vergnüglich zu lesen, mit einem Bildteil und vielen zeitgenössischen Dokumenten im Anhang. Das Standardwerk zum Ausnahmetalent unter den Kriminalschriftstellerinnen.“ So heißt es lapidar im Verlags-Text – doch da ist viel mehr. Auch viel mehr, als die durchaus kritischen Rezensionen rundum vermuten lassen, die das Fehlen eines Konzepts, einer Struktur unterstellen. Tatsächlich hüpft die Autorin, die die porträtierte Pat(ricia) Highsmith persönlich gekannt hat, hin und her. Zwischen Zeiten, zwischen Themen – im Grunde ähnlich wie die Biografierte, promisk zwischen gleichzeitig bestehenden Beziehungen (meist lesbischen) wie immer wieder neuen Orten quasi durchs Leben hechelnd, sich von Zigaretten und Whisk(e)y ernährend. Doch für den Leser, der sich darauf einlässt, entsteht so eine neue, eine stark verwobene Struktur. Erst recht für Comic-Interessierte: Es tut sich eine wahre Welt auf, was den Einfluss der sieben Jahre Schreiben für Timely etc. auf ihr „sonstiges“ Schreiben angeht: Sie hat offenbar parallel zu Ihren Superhelden-Scripts und –Szenarios immer gleich Ideen für Ihr Krimi-Genre entwickelt und notiert, sozusagen „2 in 1“ getextet (und sowieso eine Menge in ihren fast durchgehend geführten Notiz- und Tagebüchern fest gehalten, u.a. 47 „Cahiers“). Folgerichtig kommt die Autorin immer wieder auf diese Tätigkeit zurück, die von PH verdrängt, verborgen und verbrannt wurde: Kaum etwas hat sie dazu hinterlassen, ihre Verbindungen geleugnet, zumindest verschwiegen. Joan Schenkar musste dazu heftigst recherchieren, um diesen Brotberuf von Pat(sy) rekonstruieren zu können (S. 64): „Mit der (super)heldenhaften Hilfe vieler Comicgrößen und –historiker des Goldenen Zeitalters der amerikanischen Comics ist es mir gelungen, Pats lange berufliche Tätigkeit in der Welt der Comics darzustellen, einer von nur zwei allein in den Vereinigten Staaten heimischen Kunstformen (die andere ist, um auch das noch festzuhalten, der Jazz) …“ Das lässt erkennen, dass die Bio-Autorin selbst ein weitaus positivere Einstellung zur (generell) Neunten Kunst als die biografierte Autorin. Geschätzt ein knappes Drittel des Umfangs der Bio hat sie rund um diesen Kern gebaut, das Kapitel „Alter Ego“ (S. 214-353, von gesamt 880 Inhalts-Seiten also immerhin 140!) ist ausschließlich jener Ära gewidmet und bringt eine Menge Einblicke auch in die Comic-„Industrie“ jener Zeit … Andererseits zog sie wahrscheinlich den Namen ihres wichtigsten Protagonisten ebenfalls aus ihrer Comic-Arbeit: „Ripley´s Believe It or Not war (und ist) ein Zeitungscartoon, den Robert Ripley … 1918 für den New York Globe erfand.“ (S. 534) Ein glänzendes Beispiel, wie sehr literarische Genres einander wechselseitig beeinflussen (können), und zwar weit jenseits von „pulp fiction“: PH schrieb Weltliteratur! Auf diese Bezüge wie auch schlicht auf Chronologisches geht die Biografin dann im ausführlichen Kapitel „Alter Ego“ ein – dazu kommen Hinweise im ausführlichen Anhang (S. 889 ff., „Die reinen Fakten“ und „PHs New York“).