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Die sinnvolle Organisation

Autor Gerald Eggers
Verlag Schäfer Poeschel
Seiten 132
ISBN 978-3-7910-5849-8
Preis 49,99

Sinn erhält erst den Betriebsfrieden, dann die Bilanz

 

Ein gutes Management zeigt Sinnorientierung, so lautet die These des Autoren Dr. Gerald Eggers, der im Fachbuch „Die sinnvolle Organisation – Fünf strategische Ankerpunkte für ein gutes Management“ Konzepte, Anregungen und einige Beispiele zum Sinnmotiv bietet. Er begreift Sinn als gestaltbare Ressource, und veranschaulicht fünf Strukturelemente für den Zugang und die Qualität der Sinnempfindung.

 

Im Kern dreht es sich um die fünf Sinn gebenden Bausteine: Markt, Ziel, Prozesse und Strukturen, Mensch sowie Kultur, um Erfolg zu generieren. Während er jeden Baustein gründlich beleuchtet und einem Realitäts-Check unterzieht, macht Eggers keinen Hehl aus dieser idealistischen Herangehensweise. Um eine solide Basis für den gemeinsamen Erfolg zu schaffen, müsse sich ein wettbewerbsfähiges Unternehmen dieser wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik gewachsen zeigen. Es müsse rentabel und strategisch agieren. Sinnvolle Arbeit, wenn auch als theoretisches Konstrukt, nennt Eggers als Kern dieses Fundaments.

 

Am ersten Ankerpunkt „Markt“ stellt Eggers die wechselseitigen Interessen dar, die realisiert werden müssen. Produkte und Dienstleistungen bezeichnet er als durch Arbeit geschöpfte Werte marktfähig, wenn sie zwei grundlegende Dinge erfüllen: Es muss ein korrespondierendes Bedürfnis und eine Bereitschaft am Markt für die jeweilige Ware zu einer festzulegenden Gegenleistung in Form von Geld geben. Dafür schreibt er von kreativer Produktivität und wertebasierter Konnektivität, um mit dem Erwerb von Produkten und Dienstleistungen zugleich die gewünschte Lebenswirklichkeit zu bekräftigen.

 

Der zweite Ankerpunkt „Ziel“ wird erstmal erläutert und um Konsistenz erweitert. Zu beobachten sei, dass vieles erledigt, aber keine Ziele erreicht werden. Je vielfältiger die Handlungsoptionen seien, desto wichtiger werden klare Prioritäten. Wird Sinn zum entscheidenden Kriterium für die Handlungsrelevanz von Zielen, so seien Zielkonflikte zwischen Menschen vorprogrammiert. Denn jeder Blickwinkel ist subjektiv bestimmt durch den individuell erlebten Zugang zur Welt. Um kontinuierliche Zielkonflikte zu bewältigen, werden der stetige Abgleich der Erwartungen und ein intelligenter Weg der Vereinbarung von Zielen erforderlich. Sofern Unternehmensziele eine Leitwirkung zum Handeln entfalten sollen, desto notwendiger zeigt sich eine sinnvolle Formulierung für diese Ziele. Ihre Glaubwürdigkeit – und damit ihre Konsistenz – hänge von der Berücksichtigung ganz einfacher und logischer Zusammenhänge ab. Um den Wirkungszusammenhang schneller zu erfassen, rät Eggers die Gliederung in wirtschaftliche, marktbezogene und organisatorische Ziele.

 

Den dritten Ankerpunkt „Prozesse und Strukturen“ erläutert Eggers in seiner wichtigen Funktion der Entlastung und Stabilisierung der Organisation in Form von Routinen. Die folgende Standardisierung schaffe eine Balance zwischen klarer Strukturgebung und wohlkalkulierten Freiheitsgraden, die als offene Handlungsräume in einer sinnvollen Relation zur entlastenden Funktion definierter Schrittfolgen stehen müssten. In Hinblick auf erhoffte Kosteneinsparungen durch effizienter gestaltete Prozesse beschreibt Eggers, dass der kurzfristige Gewinn in keinem Verhältnis zu den Schäden stünde, die infolge einer bloß berechneten Optimierung der Prozesse angerichtet würden. „Erst kippte der Betriebsfrieden, dann die Bilanz.“

Besonders hervorzuheben ist hier die Integrität als Qualitätskriterium, das allerdings erst auf den zweiten oder dritten Blick der Prozesse sichtbar werde. Integrität besitzen Prozesse dann, wenn sie mit dem formulierten Selbstverständnis einer Unternehmung übereinstimmten. Wenn demnach ein Betrieb von sich behauptet, er erbringe Leistungen aus Leidenschaft, so sei es für die Mitarbeitenden ebenso wie für die Kunden fraglich, ob die gegebene Prozesslandschaft auch dementsprechend sinnerfüllt konsequent gepflegt wird, dass sie diese Leidenschaft nicht nur zum Ausdruck bringt, sondern sie zugleich auch erhält und fördert.

In Bezug auf die Unternehmenskultur soll laut Eggers der Wille zu einer wertschätzenden und vertrauensvollen Zusammenarbeit konkretisiert werden. Und zwar dergestalt, dass sich Wertschätzung und Vertrauen nicht nur im individuellen verhalten der Teammitglieder, sondern auch in der Prozesslandschaft der Organisation wiederfinden. Hier klaffen allzu oft Theorie und Praxis auseinander. Ganz augenscheinlich gegen das Gebot der Integrität verstoße gemäß Eggers der Prozess der jährlich wiederkehrenden Leistungsbeurteilung. Mit dieser Integrität der Prozesse gewinne oder verliere das Management im Aufbau und in der Gestaltung der Ablauforganisation seine Glaubwürdigkeit.

Ein weiteres Beispiel nennt Eggers im Umgang mit einem neuen Teammitglied: Vielerorts verschwindet das Interesse am Menschen, sobald er die erforderlichen Handgriffe erlernt und die Abläufe am Arbeitsplatz verinnerlicht hat. Zwar folge die Einarbeitung oft einem Plan und ist als Prozess definiert, die gewonnenen Erkenntnisse des neuen Mitglieds würden in der Folge jedoch genauso wenig systematisch reflektiert wie seine (oder ihre) Wünsche und Bedürfnisse nach einer persönlichen Entwicklung im Unternehmen. Hieran erkennt man eindeutig, dass Prozesslandschaften jenseits der sachlichen Routinen wenig Raum für Persönliches bieten.

 

In der Überleitung zum vierten Ankerpunkt „Mensch“ wird der Typus „Machtmensch“ beleuchtet. Eggers unterstellt machtorientierten Menschen eine arbeitsteilige Organisation vor allem als bequemes Vehikel für deren persönlichen Wünsche, Ziele und Bedürfnisse – fern jeder Sinnhaftigkeit. Viele Machtmenschen haben sich in seiner Beschreibung im Laufe ihres Lebens mit einem feinen Radar ausgestattet, das in jeder kollegialen Begegnung den möglichen Nutzen oder die potenzielle Gefahr des Gegenübers für ihren Wettbewerb um Macht erfasst. Geschickte Intrigen und taktisches Geplänkel ersetzen das Prinzip der persönlichen Verantwortung und kaschieren einen oft erheblichen Mangel an fachlichen und sozialen Fähigkeiten. Die Folge solcher dysfunktionalen Strukturen ist die Realisierung individueller Interessen auf Kosten gemeinsamer Ziele. Für solche Formen, die strukturelle Gewalt ermöglichen und das Unternehmen nicht nur motivational entkernen, liefert Eggers Anregungen für einen sinnvollen Umgang und empfiehlt, solche relationalen Strukturen aufzubrechen.

 

Doch auch mit der Hinwendung zum Menschen werde die Komplexität der Organisation nicht reduziert, sondern durch deren Individualität noch gesteigert. Der erforderliche Perspektivenwechsel laufe dem Grundanliegen des Management zuwider, Komplexität einzugrenzen und zu reduzieren, um kostensenkende Synergie- und Skaleneffekte zu erreichen. Für die Sicherung der Qualität des Handelns sei allerdings ein Blick auf die Organisation nötig, der Individualität und Persönlichkeit als das entscheidende Potenzial annimmt und hebt.

Hier grenzt Eggers die Führungsarbeit ab, die individuelles Verhalten immer wieder reflektiert, koordiniert und, wo sinnvoll, korrigiert. Er beschreibt Führungsarbeit als wohlüberlegten Zugang zum Menschen, gepaart mit Orientierungssinn im Labyrinth biografisch gewonnener Einstellungen, persönlicher Haltungen, erworbener Fähigkeiten und entwickelter Bedürfnisse und bezeichnet die Bereitschaft und Fähigkeit zur konstruktiven Zusammenarbeit als existenziell, jedoch nicht als bedingungslos voraussetzbar. Vielmehr nennt er eine Synchronisation der konträr angelegten Gestaltungsprinzipien von Management und Führungsarbeit als erforderlich für eine gelingende Verständigung auf ein gemeinsames und tragfähiges Menschenbild. Dieses Menschenbild definiere, was von einem Mitarbeitenden erwartet werden kann – und was nicht.

 

Dieses Kapitel bietet außerdem Platz für die Erläuterung und Korrelation menschlicher Urinstinkte. So werden die menschliche Stressreaktion und die Emotionen komplementär zur Analytik untersucht und der Versuch gestartet, sie in ein stimmiges Weltverhältnis zu setzen: Die Bereitschaft zu einem kooperativen und verantwortlichen Handeln im Kontext von Arbeit sei keine Folge rechtlicher Vereinbarungen oder einer sozialen Utopie, sondern Ausdruck eines stimmigen Weltverhältnisses des Menschen, das sich im persönlichen Befinden als Wohlsein oder Unwohlsein spiegele. Im Einklang mit diesem stimmigen Weltbild zu handeln, sei eine Voraussetzung für das Prinzip der Kollegialität und um ein menschliches Gesicht zu wahren, das die gesellschaftliche Natur des Menschen als identitätsstiftend annimmt und als Begegnungs- und Sinnressource erkennt und nutzt.

 

Der fünfte Ankerpunkt „Kultur“ greift die Aspekte Gepflogenheiten, Kulturwandel durch Wertewandel, Positionsmacht, Autorität und Verantwortung auf und gleicht diese mit den Aufgaben wirksamer Führung nach Fredmund Malik ab. Auch taucht wieder das Stichwort Integrität auf, das für Klarheit in der Sache, Konsequenz im Handeln, Wertschätzung in der Begegnung und Vertrauen aus Erfahrung plädiert. Zuletzt werden Teamgeist, Teamklima und Kommunikation behandelt und zu den vorher aufgezeigten Zielen rückgekoppelt werden.

 

Im Ganzen bietet das Fachbuch eine gute, theoretische Grundlage für bewusste, organisationale Sinnstiftung, wenn auch die Sprache nicht immer leicht gewählt ist.

 

Miriam Engel, loyalworks®

Miriam Engel