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Die Schlange im Wolfspelz

Autor Michael Maar
Verlag Rowohl
ISBN 978-3-498-00140-7

„Das Geheimnis großer Literatur“ wird hier untersucht …Auf fast 550 Seiten (plus einem ausführlichen Anhangs-Apparat) analysiert der wahrhaft belesene Autor ein Füllhorn an Literatur, primär des 19. und 20. Jahrhunderts: Stil der einen oder auch der anderen Art(en) … Wie wirkt welcher Autor auf welche Weise auf seine Leser? Natürlich subjektiv, hier aus der Perspektive von Michael Maar, immer begründet – und als Text für sich belletristisch und dennoch sachlich, fein lesbar!

Stil hat vielerlei Facetten
… und denen geht der Autor akribisch und zugleich unterhaltsam nach, wenn er etwa Robert Neumanns Werke beschreibt: Der war offenbar bestens im Stande, andere zu parodieren, und zwar vorspielend wie auch schreibend (S. 37ff. „Mit fremden Federn: Pastiche und Parodie“): „Wenn er nur ein paar Seiten überflogen hatte, wußte [sic! Leider nutzt der Autor veraltete Rechtschreibung…] er schon mehr als ein Heer pedantischer Leser…Der Stilist neigt zum Extrem. Und dort wartet schon mit glitzerndem Lächeln ein R.N. auf ihn“ (S. 39). Womit andererseits gilt, für Pseudo-Plagiate (viel diskutiert in neuerer Zeit rund um die Werke von Helene Hegemann, etwa „Axolotl Roadkill“): „Über die Ungerechtigkeit solcher Nachdichtungen müssen wir kein Wort verlieren“ (S. 40). Also „was ist das Geheimnis des guten Stils, wie wird aus Sprache Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar in seinem Haupt- und Lebenswerk nach, für das er vierzig Jahre lang gelesen hat. Was ist Manier, was ist Jargon, und in welche Fehlerfallen tappen fast alle? Wie müssen die Elementarteilchen zusammenspielen für den perfekten Prosasatz? Maar zeigt, wer Dialoge kann und wer nicht, warum Hölderlin über- und Rahel Varnhagen unterschätzt wird, warum ohne die österreichischen Juden ein Kontinent des Stils wegbräche, warum Kafka ein Alien ist und warum nur Heimito von Doderer an Thomas Mann heranreicht. In fünfzig Porträts, von Goethe bis Gernhardt, von Kleist bis Kronauer, entfaltet er en passant eine Geschichte der deutschen Literatur.“ In der Tat, ausführlich und viel Einblick in die Werke gebend, im zweiten Teil (IV. Bibliothek etc.) S. 170ff. (bis 546!), teils chronologisch, teils thematisch gebündelt: Klassik, Fegefeuer…, K.u.K. – danach Lyrik und „Das Pikante und er Spaß der Welt“ mit Erotik wie Tod.

Bildhaft schreiben?
Davor analysiert Michael Maar feine Details: Was ist Stil? Im Weinberg. Die Instrumente zeigen: Dem generell hoch interessanten Thema „Metaphern“ hat der Autor ein eigenes Kapitel gegönnt (S. 103ff.) – und mehr als das, ist doch der Buch-Titel ein höchst plakatives Beispiel für eben eine schiefe Metapher, worauf er auch konkret eingeht: „… der Zitatenschatz des sogenannten Königsbee aus Eva Manesses Debütroman Vienna. Dort sind es eher verdrehte Redensarten , die nicht mehr im strengen Sinn metaphorisch wirken, wie … die „Schlage im Wolfspelz“…“ (S. 119). Spielerisch und zugleich höchst aufschlussreich sind die Stilvergleiche, deren drei sich durch den Inhalt ziehen – plus quasi interaktiv zwei Literaturquiz(ze), für die der Anhang Auflösung (an)bietet, schön! Klare An- und Aussage: Stil kann so und/oder so wirken, nämlich anders. Will sagen, manche Autoren bieten klaren wieder kehrenden Stil, andere wiederum genau das nicht – und nochmals andere scheinbar schlechten. Lesbar sind die einen wie die je anderen, dann eben – anders… Vieles gehört mit zu diesem Thema, etwa auch Satzzeichen, Adjektive, Syntax: Leser lerne eine Menge auch über Sprache an sich und deren Wirken, fein! Lese gönne sich diese variantenreiche, stilistisch abwechslungsreiche Analyse… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter