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Die Himmelskugel

Autor Olli Jalonen
Verlag Mare
ISBN 978-3-86648-609-6

„Ausgezeichnet mit dem Finlandia-Preis“ (für diesen Autor schon der zweite, als einer von nur zwei Autoren…) bietet dieser „Abenteuer-Roman“ auf fast 550 Seiten Einblick ins Leben eines Insel-Jungen, den Edmond Halley „unter seine Fittiche“ nimmt. Wohl primär, weil er (und/oder sein Assistent) Mutter (Witwe) und Schwester von Angus geschwängert hat, beim Aufenthalt auf St. Helena…

Wissenschaft und Forschung
… sind auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stark von staatlicher wie privater Unterstützung abhängig: Halley hat das Wohlwollen des Königs und einiger geldiger, einflussreicher Personen seines Umfelds. Zu Beobachtungen der „Himmelskugel“ reist er in den Süd-Atlantik, mitten zwischen dem amerikanischen und dem afrikanischen Kontinent gelegen, tatsächlich fast mittig zwischen Brasilien und Namibia, schon ein wenig von der britischen Heimat entfernt: Gut geeignet durch Höhe und kaum Licht-Verschmutzung, wie wir das heute nennen würden: „1679. Mitten im Atlantik, auf der Insel St. Helena, träumt der achtjährige Angus einen großen Traum: Er will in die Fußstapfen des Sternenforschers Edmond Halley treten und dessen Gehilfe im fernen London werden. Angus übt für seine Laufbahn als Wissenschaftler, indem er tagsüber Vögel zählt und nachts die Position der Sterne markiert, wie Halley es ihm bei seinem Besuch auf der Insel beigebracht hat. Als es unter dem tyrannischen Gouverneur zu Unruhen kommt, rückt die Erfüllung von Angus‘ Traum unverhofft näher: Mit einem geheimen Brief wird er als blinder Passagier an Bord eines Schiffes geschickt, um in England die Hilfe des geschätzten Herrn Halley zu erbitten…
Ein außergewöhnlicher Roman über die Anfänge der Aufklärung und die berührende Freundschaft zwischen einem kleinen Jungen und einem großen Universalgelehrten.“ In diesem Sinne auch ein Bildungs-Roman, jedenfalls ein tiefer Einblick ins gesellschaftliche Leben Ende des 17. Jahrhunderts. Rolle der Frau inkl. Abhängigkeiten inklusive, je anders auf der Insel wie auf dem Festland, abhängig hier wie dort von der gesellschaftlichen Stellung. Religion und Staat im Widerstreit fokussiert sich in verschiedenen Personen, etwa Gouverneur und König…

Tagebuch aus Beobachter-Sicht
Stark erinnert die Geschichte an jene anderer Wissenschaftler on tour wie auch @home, etwa die von Charles Darwin, der mit knappen Neben-Bemerkungen zur Evolution adressiert wird. Oder auch Wilhelm Humboldt und seine Anden-Reisen, siehe die Höhen-Messungen in Wales. So ist das über weite Strecken das Erleben von Halley, jedoch aus Sicht einer anderen Person… Wie sich Gus (wie ihn seine Mutter nennt) vom 8- zum 12-Jährigen entwickelt, spiegelt auch die Sprache der Erzählung, sein Lernen von Schreiben und Lesen begleitend (nach dem der Zahlen, vorher: Halley, nun: Pastor, bald Lebensgefährte der Mutter), siehe etwa S. 36f. das Lesen in vier Stufen: „Lesen ist Sehen, aber auch Hören … Das vierte Lesen ist dann, dass man im Kopf noch einmal liest, was man gelesen hat.“ (auch S. 382 Zeitung) Angus kann besonders gut sehen, von Halley zum Beobachten von Vögeln (untertags) und Sternen (des Nachts, darum geht es zentral, S. 155 u.a.) getrimmt, was zugleich sein Gedächtnis schärft (Halleys Gedanken dazu S. 434f.). Angus wird dann gar zum Erfinder – er hat gelernt, selbstständig zu denken und setzt das mit Heißluft-Ballon um (S. 460 z.B.). Interessant wäre ein Nachwort (von Autor oder dritter Person – oder Übersetzer) zu Fakt und Fiktion in diesem höchst lesenswerten Roman. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter