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Die Entführung der Delia Wright

Autor Lyndsay Faye
Verlag dtv premium
ISBN 978-3-423-26043-5

Zunächst einmal wird Leser entführt, ins Jahr 1846 nämlich – und nach New York, hinein in den zweiten Fall für Timothy Wilde, erster Ermittler der noch frischen Polizei dort. Historischer Krimi also, dazu auch ein „Lokal-Krimi“, weil es um die Stadt New York geht, mit damals Mega-Charakter = 500.000 Einwohner. Noch haben die Viertel ihr individuelles Gepräge, das sich allerdings gerade zu ändern beginnt: Viele zehntausende Zuwanderer aus Irland versuchen zu überlegen – und bilden so eine starke Konkurrenz zur schwarzen Bevölkerung, die hier (im Norden der USA) erste Ansatzpunkte für ein relativ „normales“ Leben finden. Dennoch ist Rassismus Alltag, obwohl die Demokratische Partei eigentlich recht liberal damit umgeht – bis zu gewissen Grenzen, etwa das Zusammensein eines gemischtrassigen Paares. Politik spielt so auch im Verhältnis des Stern-Trägers Wilde zu seinem Bruder eine starke Rolle, der selbst Captain der Polizei ist (in einem anderen Revier), dazu Feuerwehrmann: Ja, der heraus ragende Status der NY-Feuerwehr (siehe 911!) hat sich offenbar in jener Zeit entwickelt, in der Holz als Baustoff noch einen viel höheren Anteil hatte. Neben Tims Bruder ist auch sein Chef aktiver Demokrat, womit der Held des Romans sich durchaus schwer tut – in gewissem Sinn ein Vorläufer von Sherlock Holmes, Sonderling und manches Mal geradezu genialer Schnüffler. Dazu kommt die allseits bekannte amerikanische Pseudo-Prüderie ins Spiel, via der schon aus dem ersten Roman bekannten Bordell-Besitzerin. Und sehr persönlich ist die Geschichte auch durch Tims ambivalentes Verhältnis zu seiner Vermieterin bei gleichzeitigem Nachtrauern seiner aus New York nach London verzogenen Freundin … Vielschichtig und bestens fundiert, wie auch das Nachwort der Autorin zeigt – und die Fülle an Zitat-Belegen, jeweils das neue Kapitel einleitend: Immer mit Bezug zur Sklaverei im Süden, die ihre Auswüchse auch „im Norden“ zeitigt – und der Sezessionskrieg zeichnet sich am Horizont schon ab. Doch vorher wird noch jener mit Mexiko kommen… HPR

Hanspeter Reiter