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Die Bruderschaft der „Entwickler“

Autor Karsten Linne
Verlag Wallstein
ISBN 978-3-8353-3977-4

„Zur Etablierung der Entwicklungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1956 bis 1974“ hat mich gleich an meine eigenen Aktivitäten (übrigens als seinerzeit noch gelegentlich praktizierender Katholik) im Rahmen eines Arbeitskreises der Evangelischen Jugend München Anfang der 1970er Jahre erinnert, mittendrin in diesem hier betrachteten Zeitraum also. Bis hin zu meiner ersten Publikation „Bananen-Broschüre“ zu Lebensmittel-Produktion und –Handel, etwa Obst etc. aus Südamerika (erschienen bei Laetare 1975, das dort erschienene Buch „Musa Paradisiaca – die Geschichte der (Süß-) Banane)…

Fülle von Einblicken in die Entwicklungshilfe
… und ihre Entwicklung in Deutschland bieten diese 650 Seiten (ausführlicher Anhang inkl.), konzentriert auf die zwei Start-Jahrzehnte: „Die Genese der bundesrepublikanischen Entwicklungspolitik, erzählt anhand von zentralen Akteuren und Schlüsselinstitutionen. Mit der staatlichen Hilfe für »Entwicklungsländer« betrat die Bundesrepublik 1956 neues Terrain: Im Gegensatz zu den klassischen Kolonialländern verfügte sie nicht über einen Stab an kolonialerfahrenen Mitarbeitern, den man bruchlos mit der Entwicklungspolitik betrauen konnte. Knapp zwanzig Jahre später, im Jahr 1976, war die bundesdeutsche Entwicklungspolitik bereits fest etabliert. Wichtige Strukturen, Organisationen und Themenfelder hatten sich herausgebildet. Karsten Linne untersucht die Genese und Etablierung dieses Politikfeldes. Er betrachtet die Personen, die den Grundstein der bundesdeutschen Entwicklungspolitik legten und sie durch ihr Handeln bis heute prägten, fragt nach ihren Motiven, Ideen, Ideologien und Impulsen. Auch weitere »kollektive Akteure« kommen ins Spiel, wie zum Beispiel die relevanten gesellschaftlichen Gruppen, aber auch die für dieses Feld spezifischen Organisationen.“ Eine Menge Stoff, quasi das Aufarbeiten der Geschichte des BMZ (Verquickung von Personen in der NS-Zeit).

Exzellente Analyse!
Und vor allem eine exzellente Analyse der je unterschiedlichen Schwerpunkte: Mehr Ökologie und Bevölkerungsexplosion, mehr Hilfe zur Selbsthilfe (unser Motto auch damals!), mehr Industrialisierung und / oder Bildung – oder auch mehr Chancen für die eigene (also die bundesepublikanische) Wirtschaft. Ein wahrlich weites Feld, mit vielerlei interessanten wie relevanten Detail-Aspekten, immer das große Ganze im Blick behaltend, siehe etwa die Grafiken zu „Enge Verbindungen“ (Politik/BMZ, Netzwerke, Vorfeldorganisationen) S. 331 oder „Das Kräftefeld Entwicklungspolitik“ S. 531. Zusammen fassend beleuchtet der Autor in seiner ausführlichen Schlussbetrachtung (S. 557ff.) die Entwicklungsschritte. Heute aktueller wie eh und je – und mehr und mehr sichtbar machend, wie sehr alle Länder heutzutage global vernetzt sind, wie abhängig voneinander: Energie, Migration, Umwelt/Klima … Pflichtlektüre für alle, die sich mit derlei Themen ernsthaft auseinander setzen wollen – mit einem Füllhorn an Wissen, vielerlei Gedanken-Anstöße vermittelnd. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter