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Der zweite Schlaf

Autor Robert Harris
Verlag Heyne
ISBN 978-3-453-27208-8

„Der Untergang der Welt, wie wir sie kennen – der neue große Roman von Robert Harris“, nach einem erfolgreichen Dutzend vorher, etwa „Enigma“ oder „Angst“ (Finanzkrise, hier von mir rezensiert)…

Aufwachen im Mittelalter
…war wohl „üblich“, wie das Vor-Zitat zeigt, nämlich etwa um Mitternacht, worauf sich der Titel bezieht. Um damit gleich anzudeuten, dass es eine Art Mittelalter ist, in dem dieser Thriller spielt. In Wirklichkeit allerdings etwa ein Jahrtausend nach der Jetzt-Zeit, als eine klare Dystopie, was die Zukunft des Planeten angeht – vielmehr: des Menschen… Denn „England ist nach einer lange zurückliegenden Katastrophe in einem erbärmlichen Zustand. Der junge Priester Fairfax wird vom Bischof in ein Dorf entsandt, um dort die Beisetzung des mysteriös verstorbenen Pfarrers zu regeln. In der Umgebung finden sich besonders häufig jene verbotenen Artefakte aus vergangener Zeit – Münzen, Scherben, Plastikspielzeug –, die der Pfarrer akribisch gesammelt hat. Hat diese ketzerische Leidenschaft zu seinem Tod geführt?“ Spannend entwickelt sich die Geschichte, die auch eine Art Liebes-Roman beinhaltet, wie sich rasch andeutet. Zugleich ein Abenteuer, im Sinne von Rückgriff auf frühe Zeiten, etwa die Rolle einer wieder erstarkten Kirche, deren Vertreter ähnlich handeln wie damals.

Gesellschafts-Kritik
…ist Dauer-Thema, etwa das Erinnern an die frühe Industrialisierung, hier vertreten vom verschmähten Liebhaber der Adeligen Lady Durston (ja, auch die Figur kommt ins Spiel), Hancock (S. 160ff.), als Nutzer von Maschinen in seiner Weberei – und als Ausnutzer seiner Mitarbeiter als einziger Unternehmer der Region. Auch Archäologie bringt diese Zukunft – womit der Autor interssante Vorgehensweisen dieser Wissenschaft einbaut (siehe etwa S. 208ff. rund um den „Ketzer“ Shadwell). Wie sehr wir heutzutage von Elektrizität abhängig sind, ist auch thematisiert: Wenn Sie fehlen sollte – was ist mit Transport, Küchengeräten, Toiletten usw., alles nur mit Strom in Betrieb (S. 280f. z.B.)? Lassen wir Kommunikation & Co. außen vor … Dass auch in tausend Jahren die Plastik-Inseln unserer Zeit auf und in den Meeren treiben werden (S. 355), ist uns ja durchaus klar… Harris ist ein Meister darin, seine Leser in dieses Spiel mit Artefakten aus „damaliger“ Zeit reinzuziehen. Und „auch wenn in seinen Büchern faktenfeste und erfundene Historie sich mischen, so muss man den vordergründigen Mantel nicht weit lüpfen, und die hintergründige Aktualität scheint auf. Robert Harris schreibt letztlich immer über das Hier und Jetzt.“ Was natürlich beklemmen kann – wie auch das Ende, das einen Cliffhanger beinhalten kann, je nach Lesers Interpretation … HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter