Der Stotterer
Autor | Charles Lewinsky |
Verlag | Diogenes |
ISBN | 978-3-257-07067-5 |
„Ich bekam … Schopenhaue“ erzählt Johannes Hosea Stärckle (S. 34f.) gleich zu Beginn, in seiner Niederschrift für den Padre, von dem er sich im Gefängnis Vorzüge erhofft. Erlitten, weil er in einem Ghostwriting für einen Mitschüler versehentlich ein Schopenhauer-Zitat eingebaut hatte, von dem jener Nils null Ahnung hatte, ertappt vom Lehrer …
Schreiben statt schwätzen
…ist seine Devise, und schreiben kann er: „Weil er Stotterer ist, vertraut er ganz auf die Macht des geschriebenen Worts und setzt es rücksichtslos ein, zur Notwehr ebenso wie für seine Karriere. Ein Betrug – er nennt es eine schriftstellerische Unsorgfältigkeit – bringt ihn ins Gefängnis. Mit Briefen, Bekenntnissen und erfundenen Geschichten versucht er dort diejenigen Leute für sich zu gewinnen, die über sein Los bestimmen: den Gefängnispfarrer, den Drogenboss, den Verleger.“ Der gerne ein Buch über seine Erlebnisse veröffentlichen möchte (der ja tatsächlich eingesetzte„Proust-Fragebogen“ vorab inklusive, S. 375ff.), mit dem er die Macht der (geschriebenen) Worte darlegt: Wie er z.B. sein schulisches Umfeld exzellent so manipuliert, dass Nils freiwillig enteilt. So brutal das letztlich ist, so sehr ist ihm Anerkennung zu zollen, schmunzelnd gar.
Macht des Wortes!
Manipulation und verbale Psycho-Gewalt, darum geht es hier: Gegen die physische Gewalt gerichtet, die er in Kindheit und Jugend hat erleben müssen, primär vom Sektenführer Bachofen, dem seine Eltern blind folgen, der Vater vor allem (die Mutter stirbt früh – durch einen „Unfall“). Schon damals schreibt er dagegen an, was er erdulden muss (S. 60ff.), eine Schreib-Therapie quasi. Der folgt er auch im Gefängnis, indem er neben den Texten für den Pfarrer geheime für sich selbst schreibt, als Tagebuch. In seinem Job als Sex-Nachrichten-Schreiber (tätig in einem Team, parallel zu den Damen fürs Verbale via Telefon, rund um S.90) führt er erfolgreich lüsterne Männer an der Nase herum und zieht ihnen damit das Geld aus der Tasche. Beim Variieren des Enkel-Tricks (ausschließlich per Brief – was bleibt ihm als Stotterer anderes übrig?!) wird er schließlich erwischt (S. 182ff.) und landet im Knast. Wenn er mal zu persönlicher Kommunkation gezwungen ist, setzt er nonverbale Sprache ein: „Reden lassen … Zuhören. Nicken. Bewundern.“ Ein Parade-Stück der Kommunikation, aus dem auch Kommunikations-Trainer viel „lernen“ können – im Grunde zu empfehlen: allen Weiterbildnern jeglicher Couleur… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de