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Der Sozialunternehmer

Autor Martina Schwingenstein
Verlag Herbert Utz
ISBN 978-3-8316-4229-8

„Kulturwissenschaftliche Analyse einer Leitfigur postmaterieller Ökonomie“, womit der Sozialunternehmer vorbildhaft ökonomisches mit sozialem Handeln vereint, zwei an sich als Gegensatz definierte Aspekte. „Nicht mehr Profitziele, sondern das Lösen zentraler sozialer und ökologischer Herausforderungen unserer Zeit stehen im Zentrum seiner unternehmerischen Tätigkeit … Welche Institutionen fördern den S.? Welche Werthaltungen und Leitvorstellungen werden dabei transportiert? Und welche persönlichen Lebenswelten lassen sich anhand der Arbeitspraxis von S. betrachten?“ (U4) Eine Kette von Fragen, wie sie im gesellschaftlichen Diskurs regelmäßig wieder aufpoppt. Sei es im Zusammenhang mit Karstadt und seinem neuen Inhaber, der sich „sozial“ geriert hat und nun nach wenigen Jahren völlig anders daher kommt, Nicolas Berggruen. Sei es beim Berliner Harald Ehlert und seiner Treberhilfe, aus der er sich hochpreisiges Wohnen und Autofahren hat entlohnen lassen – typisch altkapitalistische Symbole im Verständnis der Öffentlichkeit. Und sei es generell bei Fragen der Weiterbildung von Arbeitnehmern, die seit jeher als Instrument soziale(re)n Handels gesehen wird … Die Arbeit leitet „Sozialunternehmertum“ wissenschaftlich her (S. 24ff.) und grenzt es gegenüber Wohltätigkeitsorganisationen wie auch sozialen wie klassischen Unternehmen ab, eingebettet zwischen Staat, Sozialsektor und Markt. Im zentralen Teil analysiert die Autorin aus ihren Beobachtungen und Interviews die „Fallporträts“ durchaus unterschiedlicher Persönlichkeiten, die sich auf je anderer Basis für ihren Weg entschieden haben. Sie hinterfragt auch die Motivation – und beleuchtet zugleich die Unterstützung durch die „Social Entrepreneurship Akademie“, so gesehen einem Weiterbildungs-Institut, getragen von den Stiftungen von BMW Herbst Quandt und Vodafone. Vermittelt wird neben „unternehmerischem Wissen“ (S. 39ff.) bezüglich BWL und Kreativität auch „Sozialunternehmer-Sein“, das unmittelbar handlungsanleitend geübt werde. Eines der Projekte ist der „Fair Observer“, ein Online-Magazin, „das laut Fabian Menschen dazu bringen soll, über den Tellerrand zu schauen. Ziel ist es, mehr Transparenz in die Medienlandschaft zu bringen, das Weltgeschehen von verschiedenen Seiten zu beleuchten und der sensationsgierigen Presse mit qualitativ hochwertiger Information entgegen zu stehen.“ Gründer dieser Art werden in ihrer Sinnsuche als Postmaterialisten gesehen, „in der sie individuelle Lebens- und Selbstverwicklungsziele mit sozialen … vereinen.“ (S. 64) Darin verankerte Werte stehen unter der Überschrift „Alternativ engagiert“ gegenüber freizeit- bzw. karriereorientiert (S. 65). In der Werte-Diskussion, wie sie in den „Nuller-Jahren“ neu aufgegriffen worden ist, entsteht hier eine ureigenen Facette, die auch Weiterbildner stark ins Visier nehmen sollten … Siehe das „Forum Werteorientierung in der Weiterbildung“, dem Schwester-Verband unseres Dachverbandes DVWO, in dem auch GABAL e.V. Mitglied ist. In ihrer Zusammenfassung nennt Martina Schwingenstein u.a. diese Aspekte (S. 73ff.): Diese Gründer verfügen über vergleichsweise wenig ökonomisches Kapital, was gerade in Familiensituationen als kritisch empfunden wird. Digitale Technologien dienen als „Enabler“, stellen für viele eine zentrale Ressource dar. Es entsteht eine „Entgrenzung zwischen Selbstverwirklichung und Laster“ mit hoher „Identifikation mit der Arbeit“, bis hin zur „psychischen Belastung – der Hang zur Selbstausbeutung“, den wir schon aus anderen Berufen kennen, etwa: Buchhändler. Wie gehen sie um mit dem „Markiert-Sein: Zum Umgang mit dem Label Sozialunternehmer“? Sie nutzen teils durchaus die „Instrumentalisierung der Leitfigur zur Vermarktung“, hinterfragen dies aber auch. – Höchst empfehlenswert, in der Reihe „Münchner Ethnographische  Schriften“ Band 14. HPR

Hanspeter Reiter