Skip to main content

Der große Ausbruch

Autor Angus Deaton
Verlag klett-cotta
ISBN 978-3-608-94911-7

„Von Armut und Wohlstand der Nationen“ ist natürlich gemeint als Anklang an den Ökonomie-Klassiker „Der Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith. Dieses aktuelle Buch vom bekannten Wirtschafts-Nobelpreis-Träger meint durchaus druckfehlerfrei, was es im Titel aussagt: Es geht um einen quasi explosionsartigen „Aufbruch“, der sich eben als Ausbruch geriert …

Eigene Geschichte
Typisch amerikanisches Story-telling führt persönliches Betroffensein des Autors dem Leser nahe: Als Ire den großen Ausbruch im 19. Jahrhundert erinnernd, seinen eigenen erlebend, eher Revolution denn (langsame) Evolution. Deaton reflektiert wiederkehrend seine eigene familiäre Entwicklung, macht anhand dessen deutlich, was persönlich erlebbar war und ist:
„Heute sind die Menschen gesünder, wohlhabender und sie leben länger als früher. Einem Teil der Menschheit ist »Der Große Ausbruch« aus Armut, Not, Krankheit und Entbehrung in Freiheit, Bildung, Demokratie und eine freie globale Weltwirtschaft gelungen. Dennoch nimmt die Ungleichheit zwischen Nationen und Menschen unaufhaltsam zu. Das Opus Magnum des Nobelpreisträgers beschreibt, wie Lebens- und Gesundheitsstandards sich weltweit erhöhen ließen, wenn Aufrichtigkeit und neue Fairness Einzug in die globale Weltwirtschaft hielten. Aus dem »Wohlstand der Nationen« könnte ein Wohlstand aller Nationen werden.“

Experte von Rang und Namen
„Angus Deaton, der Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2015, schildert die Geschichte der Weltwirtschaft überraschend neu und anders. Vor 250 Jahren bescherte die Industrielle Revolution Westeuropa und den USA nachhaltigen Aufschwung und wirtschaftlicher Fortschritt, der bis heute andauert. Viele Menschen in Großbritannien, Frankreich, den USA und Deutschland überwanden ihre Armut, eigneten sich Bildung an und gestalteten ihre Staaten freiheitlich und demokratisch um. Aber bereits damals öffnete sich die Kluft zwischen Reich und Arm. Erhellend und eindringlich entwirft der Ökonom ein Panorama überwältigender Entdeckungen und phantastischer Erfindungen: Von der Überwindung von Pest, Cholera und Epidemien, von den Errungenschaften wie Impfungen, Antibiotika, Hygiene, sauberem Trinkwasser und den Erfolgen der modernen Medizin und Technik.“
[Nebenbemerkung, weil doch recht auffällig: Ob nun beim Übersetzen passiert oder tatsächlich schon beim Schreiben (vorstellbar bei diesem hoch dekorierten Experten?!), diese Vergleiche sind schlicht falsch: „Im Jahr 2010 wurden 15 Prozent der Bevölkerung als arm eingestuft. Dass entspricht einem Anstieg von 2,5 Prozent gegenüber der Zeit vor der Finanzkrise.“ (S. 234f.) Gemeint ist ein Anstieg von immerhin 2,5 Prozentpunkten (15 gegenüber 12,5 Prozent – also ein Anstieg um sage und schreibe 20 Prozent, nämlich 1/5!). Oder S. 319: „… stieg die Zahl der Armen fast um das Doppelte, nämlich von 169 Millionen auf 303 Millionen.“ Schlimm genug, jedoch „nur“ ein Anstieg auf das Doppelte. Um das Doppelte hieße annähernd verdreifacht! Wohl gemerkt, derlei lässt sich quasi täglich „in den Medien“ entdecken, doch hier geht es um ein Werk, das von den Zahlen lebt, in Zahlen quasi schwelgt ..]

Was tun, wenn dennoch ….?!
„Dennoch holen schmerzhafte Rückschläge auch die modernen Gesellschaften – vor allem aber die Ärmsten – immer wieder ein: entsetzliche Hungersnöte, Naturkatastrophen, Drogenhandel, Krebserkrankungen und die AIDS/HIV-Epidemie auf der anderen Seite. Alternativen bieten Reformen: Die Entwicklungs- und Protektionspolitik des Westens sollte eingestellt, jedenfalls grundlegend verändert werden. Dringend müssten die Handelshemmnisse aufgehoben werden, um der ganzen globalisierten Welt ihren eigenen „Großen Ausbruch“ zu eröffnen.“ Tja, da stehen die Chancen derzeit eher schlecht – Freihandel wird eher zer-trump-elt werden, dieses platte Wortspiel sei erlaubt. Obwohl, vielleicht lässt sich „Der große Ausbruch“ tatsächlich als Manifest verstehen? Entscheidend wäre es, wenn viele (vor allem US-Amerikaner) dies besser verstünden: „Unser Wohlstand ist anfällig; Umdenken und anders Handeln sind dringend erforderlich. Hatten die USA noch vor 20 Jahren einen bis dahin nie gekannten Wohlstand für viele Amerikaner erreicht, wächst das einstige Vorbild der westlichen Welt heute wirtschaftlich schleppend oder gar nicht. Die Ungleichheit unter den Amerikanern hat schlagartig zugenommen. Hingegen hat sich das Wirtschaftswachstum in Indien und China vervielfacht und das Leben von mehr als zwei Milliarden Menschen unvorstellbar verbessert.“ Es gäbe also viel zu tun … HPR

Hanspeter Reiter