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Der Goldene Handschuh

Autor Heinz Strunk
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-06436-5

Der Titel erinnert gewiefte Krimi-Leser bestimmt an die ein wenig reißerischen Edgar-Wallace-Krimis oder gar –Verfilmungen – und doch ist dieser Roman alles andere als das: In einer sehr ruhigen Art geschrieben, lässt er den Leser Menschen und Milieus im Hamburger Kiez auf eine besonders angenehme Art erleben. Ja, angenehm – ein scheinbar seltsamer Ausdruck in Verbindung mit einem Serien-Mörder, der Fritz Honka ja war, mit vier getöteten Frauen. Ob Dokufiktion oder Tatsachen-Roman, jedenfalls geht die Handlung auf Geschehen und Prozess in den 1970-er Jahren zurück. Der Autor lässt allerdings den Fokus auf Honka hinter sich, wagt sich quasi hinein in die Diskussion von „nature oder nurture“: Ist Verhalten angeboren, auch und gerade die gesellschaftlichen Normen verletzendes – oder doch eher anerzogen, dem Milieu geschuldet, in dem eine Person aufwächst? Beides, so „die Wissenschaft“, und darauf rekurriert auch Strunk, wenn er Parallelwelten erleben lässt, die sich eben dort überschneiden: im goldenen Handschuh. Neben Honka & Co., der dort auch seine Frauen und späteren Opfer „kennen lernt“, finden sich auch Schwager wie Sohn eines Reeders ein, um ihren perversen Gelüsten zu folgen. Allerdings endet bei den beiden derlei weniger dramatisch als bei „Fiete“ – doch wer weiß, wohin das alles noch führen mag … Sehr einfühlsam folgt der Autor den Spuren seiner Hauptpersonen wie auch deren Opfer: „Strunks Roman taucht tief ein in die infernalische Nachtwelt von Kiez, Kneipe, Abbruchquartier, deren Bewohnern das mitleidlose Leben alles Menschliche zu rauben droht. Mit erzählerischem Furor, historischer Genauigkeit und ungeheurem Mitgefühl zeichnet er das Bild einer Welt, in der nicht nur der Täter gerichtsnotorisch war, sondern auch alle seine unglücklichen Opfer. Immer wieder unternimmt der Roman indes Ausflüge in die oberen Etagen der Gesellschaft, zu den Angehörigen einer hanseatischen Reederdynastie mit Sitz in den Elbvororten, wo das Geld wohnt, die Menschlichkeit aber auch nicht unbedingt. Am Ende treffen sich Arm und Reich in der Vierundzwanzigstundenkaschemme am Hamburger Berg, zwischen Alkohol, Sex, Elend und Verbrechen: Menschen allesamt, bis zur letzten Stunde geschlagen mit dem Wunsch nach Glück.“ Und wie sehr wünscht Leser Fritz Honka den Absprung, wenn er es endlich schafft, mithilfe einer Festanstellung nahe ans Verlassen seines unglückseligen Milieus aus Saufen und üblen sexuellen Fantasien zu gelangen. Doch dann kippt das alles erneut … HPR

Hanspeter Reiter